Eindimensionales Verständnis von Remigration entspricht nicht der Wirklichkeit und sollte durch transnationale Konzepte mit Blick auf das Individuum ersetzt werden
29.09.2017
Die Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer ist häufig nur der Beginn eines weiteren Migrationsprozesses. In der politischen Debatte wird die Rückkehr – häufig moralisch aufgeladen – als "Heimkehr" dargestellt und als Endpunkt der Migration betrachtet. Tatsächlich aber verliert das eindimensionale Verständnis von Gehen und Zurückkommen in einer globalisierten Welt immer mehr seine Grundlage. "Es ist völlig überholt, Remigration als einen einmaligen und einfachen Prozess zu betrachten, zu denken, die Menschen gehen zurück und damit ist gut", sagt Dr. Claudia Olivier-Mensah von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Die Sozialwissenschaftlerin hat in ihrer Studie die Lebenssituation von Remigranten aus Ghana untersucht und dabei festgestellt, dass die Rückkehrer häufig später an andere Plätze migrieren oder durch Lebens- und Arbeitszusammenhänge länderübergreifend vernetzt und tätig sind. Sie fordert daher, neue Konzepte aufzugreifen und Rückkehr in einem transnationalen Kontext mit dem Fokus auf die individuelle Lebenswirklichkeit zu betrachten.
Rückkehr ist in der aktuellen globalen Lage ein dominierendes Thema. "Seitdem 2015 die 'Flüchtlingskrise' von Europa ausgerufen wurde, reagiert die Asyl- und Migrationssteuerungspolitik verstärkt mit Abschottung und Rückkehr", so Olivier-Mensah. Politische Lösungsansätze befassen sich generell jedoch vornehmlich mit der Nutzungsperspektive der Nationalstaaten, betrachten also die Makroebene, anstatt den Blick auf die Bedürfnisse und Lebenswelten der betroffenen Menschen und damit auf die Mikroebene zu richten. "Rückkehr geht oft mit beträchtlichen Herausforderungen einher. Die Akteure müssen persönlich mit dem Prozess des 'Zurückkehrens' umgehen und etwa ihren vollzogenen Werte- und Normwandel im Herkunftskontext neu aushandeln", so Olivier-Mensah. In ihrer Promotion hat sie Bildungsmigranten im Alter von 20 bis 40 Jahren begleitet, die meist im Rahmen von internationalen Masterstudiengängen oder Promotionen durchschnittlich für sechs Jahre nach Deutschland kamen, teilweise auch mit ihren Familien.
"Die wenigsten Remigranten haben im Interview gesagt: Ich bleibe jetzt hier", beschreibt Olivier-Mensah einige Ergebnisse der Feldforschung in Ghana. "Viele zeigen eine große Flexibilität im Hinblick auf ihre Zukunft, wobei die Familie aber ein sehr wichtiger Faktor ist." Die Wissenschaftlerin plädiert dafür, bei der Erschließung des Phänomens "Rückkehr" die klassisch verwendeten Migrations- und Integrationstheorien zu erweitern und Rückkehr als einen individuellen Prozess aufzufassen: Unter einer transnationalen Perspektive sei Remigration nicht mehr mit einem Reintegrationsfokus in den nationalstaatlichen Herkunftskontext als erstrebtes Endziel, sondern als Teil eines zirkulären Systems sozialer Netzwerke zu sehen.
Im Gegensatz zum neoliberalen Entwicklungsverständnis fasst Olivier-Mensah unter dem Begriff der "TransREmigration" die verschiedenen Bewegungsdynamiken zusammen, die durch verborgene transnationale Muster in Rückkehrprozessen entstehen. "Ich betrachte soziale Transfers, persönliche Netzwerke und transnationale Handlungs-, Denk- und Wissensmuster und frage, wie Rückkehrer sozial unterstützt werden können." Sie folgt damit den Prinzipien der Sozialen Arbeit, die ihre Aufgabe darin sieht, die Handlungsmächtigkeit von Individuen und Gruppen in ihrer Lebensgestaltung und Erfüllung ihrer Bedürfnisse zu stärken. "Es wird häufig übersehen, dass Menschen glücklich und zufrieden sein müssen, bevor sie einen Beitrag für die Gesellschaft leisten können", so Olivier-Mensah.
Die Wissenschaftlerin ist Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Sozialpädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und hat ihre kumulative Dissertation in einer Beitragssammlung mit dem Titel "TransREmigration – Rückkehr im Kontext von Transnationalität, persönlichen Netzwerken und Sozialer Arbeit" veröffentlicht. In einer neuen Studie beschäftigt sich die Sozialwissenschaftlerin mit der Bedeutung von Rückkehr in den Lebenswelten von Geflüchteten.