RNA-Modifikationen wichtig für Gehirnfunktion

m6A-Modifikation spielt wichtige Rolle für die Funktion des Nervensystems und bei der Geschlechtsbestimmung der Fruchtfliege

08.12.2016

Forscher am Institut für Molekulare Biologie (IMB) und an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nachgewiesen, dass eine neue Art der Genregulation von entscheidender Bedeutung für die Aktivität des Nervensystems ist. Sie fanden heraus, dass diese Art der Regulation, eine chemische Modifikation der RNA mit der Bezeichnung m6A, außerdem einen wichtigen Einfluss darauf hat, ob sich Fliegen zu Männchen oder Weibchen entwickeln. Diese Studie zeigt die zentrale Bedeutung von RNA-Modifikationen.

In ihrer im Fachjournal Nature veröffentlichten Studie zeigen die Wissenschaftler, dass die m6A-RNA-Modifikation besonders häufig im sich entwickelnden Nervensystem der Fliege vorkommt und dass sie wichtig ist, damit es funktioniert. Wenn die Forscher den molekularen Pfad, der die RNA modifiziert, unterbrachen, verhielten sich die Fliegen abnormal: Sie hatten Probleme, ihre Flügel richtig zusammenzufalten, konnten sich nicht mehr orientieren und bewegten sich langsamer als Fliegen mit normalen RNA-Modifikationen. Die Auswirkung auf die Fortbewegung wird durch eine eingeschränkte Funktion des Gehirns verursacht. Die Forscher wiesen außerdem nach, dass m6A für die Feinsteuerung der Geschlechtsbestimmung wichtig ist, also ob sich die Fliege zum Männchen oder Weibchen entwickelt.

Dr. Jean-Yves Roignant, Gruppenleiter am IMB und Korrespondenzautor der Studie, erläutert: "Die Erkenntnis, dass RNA-Modifikationen so zahlreich auf Boten-RNAs vorhanden sind, wurde noch vor wenigen Jahren so nicht erwartet. Meines Erachtens ist dies eine der spannendsten Erkenntnisse der vergangenen 15 Jahre auf diesem Gebiet. Unsere Studie beleuchtet nun die Auswirkungen von RNA-Modifikationen auf lebende Organismen. Wir zeigen, dass die m6A-Modifikation eine wichtige Rolle für die Funktion des Nervensystems und bei der Geschlechtsbestimmung der Fruchtfliege Drosophila spielt. Da diese Modifikation im Nervensystem von Wirbeltieren ebenfalls verstärkt vorkommt, ist es denkbar, dass sie beim Menschen eine ähnliche Rolle spielt."

Es ist bereits allgemein anerkannt, dass DNA-Modifikationen wichtige Regulatoren der Genaktivität sind. Diese molekularen Markierungen auf der DNA dienen als Signale an die Zellmaschinerie, die die in Genen enthaltene Information in Proteine umsetzt, und helfen dabei, genau festzulegen, wie ein bestimmtes Gen reguliert wird. Diese Signale können hinzugefügt und entfernt werden, wodurch bestimmt wird, ob Gene ein- oder ausgeschaltet sind. Auf RNA wurden ebenfalls zahlreiche verschiedene Modifikationen gefunden, wobei aber noch nicht genau erforscht war, was sie in lebenden Organismen bewirken. m6A ist von diesen RNA-Modifikationen die am weitesten verbreitete und Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass sie auf eine den DNA-Modifikationen analoge Weise hinzugefügt und entfernt werden kann. Die aktuelle Publikation ist die erste umfassende Studie, in der die Rollen sämtlicher Komponenten, die an der Biogenese der m6A-RNA-Modifikation beteiligt sind, in einem mehrzelligen Organismus untersucht werden.

Neben der Bedeutung von m6A während der Embryonalentwicklung fanden Dr. Jean-Yves Roignant und sein Team außerdem eine neue Komponente der molekularen Maschinerie, die diese RNA-Modifikation reguliert – Spenito. Nun wollen sie genauer untersuchen, wie dies im Detail funktioniert.

Tina Lence, Doktorandin bei Dr. Jean-Yves Roignant am IMB und Erstautorin der Studie, erklärt: "Da wir nun festgestellt haben, dass es m6A gibt und dass es für neuronale Funktionen wichtig ist, wollen wir seine genaue Rolle besser verstehen. Ist m6A zum Beispiel in jedem Fall wichtig oder doch eher an der Feinsteuerung der Genexpression oder an Reaktionen auf Änderungen in der Umwelt beteiligt?"

Dieses neu entstehende Gebiet der RNA-Modifikationen, auch als Epitranskriptomik bezeichnet, dürfte in Zukunft viele weitere spannende Erkenntnisse hervorbringen.

Die an der Studie beteiligten Forscher arbeiten am IMB, am Institut für Pharmazie und Biochemie und dem Institut für Zoologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie am Kimmel Center for Biology and Medicine des Skirball Institute in New York, USA.