Neues Modell erweitert Grotthuß-Mechanismus
22.07.2013
Das Proton, also das positiv geladene Wasserstoffion, bewegt sich in Wasser sehr schnell von einem Wassermolekül zum nächsten, weshalb Wasser eine relativ hohe Leitfähigkeit besitzt. Das Prinzip der Protonenleitung in Wasser ist seit 200 Jahren bekannt und nach seinem Entdecker Theodor Grotthuß als Grotthuß-Mechanismus benannt. Es geht davon aus, dass nicht ein und dasselbe Proton von einem Molekül zum anderen wandert, sondern dass Bindungen aufgebrochen werden, an denen das eine Proton andockt und dafür verlässt ein anderes Proton das Molekül, um andernorts zu binden. Der daraus resultierende Protonenleitungsmechanismus ähnelt einer Eimerkette, durch die sich die sehr hohe Mobilität der einzelnen Protonen erklären lässt. Dieses Bild vereinfacht jedoch den Sachverhalt und unterschlägt die Komplexität der Struktur von Wasser. Nun haben Wissenschaftler aus Zürich und Mainz den Mechanismus anhand theoretischer Berechnungen präzisiert und gezeigt, dass die derzeit gültige Vorstellung der Protonenleitung einer Revision bedarf. "Die Simulation zeigt, dass der Übergang von einem Wassermolekül zum nächsten viel schneller erfolgt als vermutet und dann in eine Ruhephase bis zum nächsten Übergang eintritt", erläutert Prof. Dr. Thomas D. Kühne vom Institut für Physikalische Chemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) die Ergebnisse. Sie wurden am 18. Juli 2013 vorab online im Portal der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.
"Wir zeigen, dass die Diffusion von Protonen und Hydroxidionen während Phasen intensiver Aktivität mit konzertiertem Protonen-Hopping stattfindet, gefolgt von Phasen der Ruhe", schreibt Erstautor Ali A. Hassanali von der ETH Zürich in der Veröffentlichung. In dem Bild, das sich die Wissenschaftler von der Protonenleitung nun machen, entspricht das Wasserstoffbrücken-Netzwerk einer Ansammlung von in sich geschlossenen Ringen. Die sich daraus ergebenden Protonen-Ketten dienen in dem Wasserstoffbrücken-Netzwerk als "Fahrbahn" für lange Protonensprünge über mehrere Wasserstoffbrückenbindungen hinweg. "Die Wassermoleküle tanzen umeinander herum, bis sie eine energetisch günstige Position erreicht haben. Dann erst hüpft das Proton entlang der Leitung zum anderen Molekül", beschreibt Kühne den Vorgang. Zwischenzeitlich kommt es dadurch kurz zur Bildung von protonierten Wassermolekülen mit drei Protonen.
Neben der Bedeutung für den Protonentransfer in wässrigen Systemen dürften die Ergebnisse auch für wichtige biologische Systeme wie Enzyme und andere Makromoleküle relevant sein.