Professuren- und Standortentwicklung der kleinen Fächer verlaufen insgesamt weitgehend stabil

Mainzer Arbeitsstelle Kleine Fächer legt flächendeckende Datenerhebung vor / In den Fächergruppen sind unterschiedliche Trends erkennbar

12.08.2015

Die Professuren- und Standortzahlen der kleinen Fächer sind im Zeitraum von 1997 bis 2015 insgesamt weitgehend stabil geblieben. In den einzelnen Fächergruppen sind allerdings unterschiedliche Trends erkennbar. Dies ergibt die flächendeckende Datenerhebung 2015 von bundesweit 119 kartierten kleinen Fächern, die jetzt die Mainzer Arbeitsstelle Kleine Fächer vorgelegt hat. "Dieses Datenmaterial ist eine wichtige Grundlage, um die Entwicklungstendenzen dieser Fächer einschließlich ihrer Ursachen zu analysieren", erklärt Prof. Dr. Mechthild Dreyer, Vizepräsidentin für Studium und Lehre der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und Projektleiterin der Arbeitsstelle. "Dazu gehört auch, dass wir in Folge des Bologna-Prozesses und der damit verbundenen Neustrukturierung der Studiengänge und Studienfächer die Kategorisierung der kleinen Fächer reflektieren und diskutieren. Hierzu bieten die aktuellen Daten der Kartierung eine hervorragende Grundlage."

Die flächendeckende Datenerhebung 2015 (Stichtag: 31.07.2015) der Mainzer Arbeitsstelle Kleine Fächer erfasst Daten zur Professuren- und Standortentwicklung von 119 kartierten Fächern als Vergleichszahlen zu 1997 und 2011. Die Kartierungsdaten beziehen sich dabei ausschließlich auf Universitätsstandorte, nicht auf Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen, Kunst- oder Musikhochschulen oder Ähnliches. Bei der Kartierung werden zudem Professuren nur dann einem Fach zugerechnet, wenn dies aus der Denomination der jeweiligen Professur ersichtlich wird. Ist in dieser Datenerhebung kein genereller Trend zum Rückgang oder Ausbau der Professuren und Standortzahlen festzustellen, lassen sich allerdings im Hinblick auf einzelne Fächergruppen unterschiedliche Entwicklungen erkennen.

Deutliche Zuwächse sind in der Gruppe der Religionswissenschaften zu erkennen. Hier ist die Zahl der Professuren um mehr als 25 Prozent von 62,5 (1997) auf 79,5 (2015) gestiegen. Entsprechend ging die Zahl der Standorte nach oben – von 43 (1997) auf 50 (2015). Die Regionalwissenschaften prosperieren insbesondere in Disziplinen, die sich auf Asien beziehen. So hat sich beispielsweise die Zahl der Professuren in den Südasienstudien von 6,5 (1997) auf 13 (2015) verdoppelt; ebenso ist die Professurenzahl in der Ostasienwissenschaft von 5 (1997) auf 10 (2015) gestiegen. Diesem Trend korrespondiert die Entwicklung in der Koreanistik; hier hat sich die Professurenzahl mehr als verdoppelt (4 in 1997, 9 in 2015).

Positive Entwicklungen verzeichnen auch die Fächer mit Medien- und Informatikbezug (z.B. Filmwissenschaft, Informationswissenschaft) sowie Disziplinen, die an der Schnittstelle zwischen Natur- und Sprachwissenschaften angesiedelt sind (z.B. Computerlinguistik, Neurolinguistik, Klinische Linguistik, Bioinformatik, Medieninformatik). Zählte die Bioinformatik beispielsweise 1997 noch sechs Professuren, so sind es 2015 43 Professuren. Entsprechend ist in diesem Zeitraum die Zahl der Standorte von vier auf 27 gestiegen. In gleicher Weise verläuft die Entwicklung bei der Medieninformatik (7 Professuren und 6 Standorte im Jahr 1997, 33 Professuren und 20 Standorte im Jahr 2015).

Eine positive Entwicklung ist auch bei Fächern wie Gerontologie oder Gender Studies zu registrieren, die – wie bereits im Abschlussbericht der Potsdamer Vorgängerinstitution festgestellt wurde – durch ihre Querschnittsthemen und -methoden von vielen Anschlussmöglichkeiten an andere Fächer profitieren.

Einen Abbau erleben aktuell vor allem Fächer im Bereich der Alten Kulturen und Sprachen und zwar sowohl hinsichtlich der Anzahl der Professuren als auch der Standorte. Beispielsweise zählt die Indogermanistik heute 12,5 Professuren an 13 Standorten; 1997 waren es 22 Professuren an 23 Standorten. Einen deutlichen Rückgang verzeichnen auch Fächer wie Hauswirtschaftswissenschaft (19 Professuren und 13 Standorte im Jahr 1997, 8 Professuren und 7 Standorte im Jahr 2015).

Zudem zeigen einige Fächergruppen unterschiedliche Trends. So verliert zum Beispiel in der Gruppe der Regionalen Kunstgeschichten die Indische Kunstgeschichte Professuren und Standorte, während bei der Islamischen oder Ostasiatischen Kunstgeschichte das Gegenteil der Fall ist. Auch innerhalb der Angewandten Sprachwissenschaften ist einerseits ein deutlicher Zuwachs in einzelnen Fächern sichtbar (z.B. Computerlinguistik + 35 Prozent bei Professuren, +17 Prozent bei Standorten). Einen Gegentrend gibt es andererseits beispielsweise bei der Sprachlehrforschung. Hier ging die Zahl der Professuren von 9 auf 2 zurück. Festzustellen ist schließlich auch, dass sich die Mehrzahl der kleinen Fächer in den Naturwissenschaften auf stabilem Niveau hält, wenn es auch dort in einigen Fächern deutliche Einschnitte gibt. Hatte beispielsweise die Paläontologie 1997 60 Professuren, sind es 2015 noch 44,5. Die Zahl der Standorte reduzierte sich in diesem Zeitraum von 28 auf 20.

Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat 2012 die Kartierungsarbeiten von der Potsdamer Arbeitsstelle Kleine Fächer übernommen und mit Unterstützung des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur (MBWWK) die Mainzer Arbeitsstelle Kleine Fächer eingerichtet, die die Bestandsaufnahme zu den kleinen Fächern fortsetzt. Die Kartierung der Mainzer Arbeitsstelle wird um wissenschaftshistorische und -theoretische Forschungen ergänzt, die unter anderem Fragen nach der Ausdifferenzierung in große und kleine Fächer beleuchten sollen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Kleinen Fächer im Kontext des "Rahmenprogramms für Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften".