Gemeinsame Studie von Universitätsmedizin Mainz und Universitätsklinikum Leipzig / Publikation in Annals of Oncology
07.01.2014
Die Diagnose Brustkrebs ist für Betroffene und Angehörige ein einschneidendes Ereignis. Psychische und soziale Ängste und Probleme treten häufig als Begleiterscheinungen und Folgen einer Krebserkrankung auf. Wirksame medizinische Behandlungen sind häufig mit psychischen und körperlichen Belastungen verbunden. Unter der Leitung von Prof. Dr. Manfred E. Beutel, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), haben Mainzer Wissenschaftler in Kooperation mit ihren Kollegen der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums Leipzig anhand einer Studie nachgewiesen, dass depressive Erkrankungen bei Brustkrebspatientinnen mit tiefenpsychologisch orientierten Kurzzeitbehandlungen erfolgreich therapiert werden können. Die Ergebnisse der durch die Deutsche Krebshilfe e.V. geförderten Studie sind nun in der aktuellen Ausgabe der international angesehenen, onkologischen Fachzeitschrift Annals of Oncology erschienen.
Eine Krebserkrankung wirft viele Fragen, Ängste, Sorgen und Probleme auf. Warum ich? Welche Folgen wird diese Krankheit haben? Welche Therapien brauche ich? Wie trete ich meinem privaten und beruflichen Umfeld gegenüber? Wie werden Angehörige, Freunde, Kollegen reagieren? Wie kann ich selber den Krankheitsverlauf und mein Leben positiv gestalten? Durch die Diagnose Brustkrebs befinden sich sowohl Patientinnen als auch Angehörige in einer Lebensphase, in der es wichtig ist, sich mit den Herausforderungen der Erkrankung sowie deren Therapie und den Folgen auseinanderzusetzen.
Der Mainzer Studienleiter, Prof. Dr. Manfred E. Beutel, betont: "Die Diagnose einer Brustkrebserkrankung ist häufig für Betroffene und ihr familiäres Umfeld ein großer Schock. In unserer Untersuchungsgruppe von über 1.300 Patientinnen reagierten immerhin 20 Prozent der Erkrankten mit teils schwerwiegenden depressiven Verstimmungen. Derartige Reaktionen erschweren die erfolgreiche Bewältigung der Erkrankung und beeinträchtigen die Lebensqualität deutlich. Unsere Studie belegt, dass hier eine frühzeitige Kurzzeitpsychotherapie helfen kann, die Depression rasch zu bessern und die Lebensqualität wieder herzustellen. Daher brauchen wir für diese Patientengruppe mehr und gezielte psychotherapeutische Angebote."
In ihrer Studie haben sich die Wissenschaftler auf die emotionale Verarbeitung einer Brustkrebserkrankung konzentriert. Dabei gingen sie davon aus, dass sich die durch die Krebserkrankung ausgelöste akute Krise wesentlich besser überwinden lässt, wenn das persönliche Beziehungsumfeld der Betroffenen diese unterstützt und verständnisvoll reagiert. Ist dies nicht der Fall und die Patientin fühlt sich zwischenmenschlich enttäuscht, kann dies zu einer Depression führen. Im Rahmen der Studie lernten die Patientinnen deshalb in einer Kurzzeitpsychotherapie, sich bei Enttäuschungen nicht zurückzuziehen, sondern eigene Wünsche und Erwartungen besser wahrzunehmen und mitzuteilen. Zudem erfuhren sie, wie sie mit ihren Ängsten, Problemen und der Krankheit allgemein besser umgehen können.
Um den therapeutischen Nutzen einer tiefenpsychologischen Behandlung zu prüfen, haben die Forscherteams rund 160 Patientinnen in ihre Studie eingeschlossen, die an einer diagnostizierten Depression litten. Davon nahm die Hälfte an einer Kurzzeitpsychotherapie teil. Die anderen Studienteilnehmerinnen wurden beraten und mit einem psychosozialen Befund an Ihren Hausarzt verwiesen, der die in der medizinischen Versorgungspraxis übliche Weiterbehandlung vornahm oder vermittelte. Diese Patientinnen bildeten die Kontrollgruppe. Die Gruppenzuteilung erfolgte nach dem Zufallsprinzip.
Es zeigte sich, dass sich durch die Kurzzeitpsychotherapie die Depression bei 56 Prozent der Patientinnen in der Untersuchungsgruppe komplett zurückgebildet hatte. In der Kontrollgruppe waren es hingegen nur 33 Prozent. Prof. Dr. Elmar Brähler, Leiter der Leipziger Studiengruppe und emeritierter Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, ergänzt: "Innerhalb von rund zehn Monaten und nach durchschnittlich 18 Therapiestunden waren die Teilnehmerinnen der Kurzzeitpsychotherapie weit weniger depressiv und ängstlich. Zudem litten sie weniger unter Schmerzsymptomen oder Nebenwirkungen der Behandlung als die Kontrollgruppe. Insgesamt hatten die kurzzeitlich tiefenpsychologisch behandelten Patientinnen in körperlicher, emotionaler und sozialer Hinsicht eine deutlich bessere Lebensqualität."
Die kurzzeitliche psychotherapeutische Behandlung führten extra geschulte Psychotherapeuten anhand eines speziell entwickelten Handbuchs durch. Die teilnehmenden Brustkrebspatientinnen (Stadien I bis III) waren durchschnittlich 52 Jahre alt. 89 Prozent von ihnen hatten eine Brustkrebs-OP hinter sich und befanden sich zumeist noch in aktiver Chemo-, Strahlen- oder Hormontherapie.