Mainzer Neurobiologie an EU-gefördertem Forscher-Erstausbildungsnetz in den systemischen Neurowissenschaften beteiligt
09.02.2012
Acht europäische Forschungseinrichtungen, darunter die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), und drei industrielle Partner haben sich in einem EU-Projekt zusammengeschlossen, um jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein herausragendes Forschungsumfeld auf dem Gebiet der systemischen Neurowissenschaften zu bieten. Das Projekt mit der Bezeichnung "FLiACT" wird von der EU durch Marie-Curie-Maßnahmen für vier Jahre gefördert. Die beteiligten Partner arbeiten an unterschiedlichen, sich ergänzenden Fragen der Neurowissenschaft von der Molekulargenetik bis zum Bioengineering. Als Modellorganismus dient dabei das Nervensystem der Taufliege Drosophila melanogaster. Das Ziel von FLiACT ist es, ein einmaliges Ausbildungsnetzwerk zu schaffen, um neue Forschungsgebiete zu fördern und die Beziehungen zu anderen Forschungseinrichtungen zu stärken. An der JGU ist die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Roland Strauss am Institut für Zoologie mit ihrem Schwerpunkt Neurobiologie an dem Netzwerk beteiligt.
Das Verständnis der Gehirnfunktionen gehört aktuell zu den größten Herausforderungen in der Forschung. Um die Abläufe zu verstehen, werden verschiedene Ebenen betrachtet, angefangen von den genetischen Grundlagen, über biochemische Signalwege und Nervenbahnen bis zur Ausprägung eines bestimmten Verhaltens. Für die Untersuchungen, wie wir Informationen von Sinneswahrnehmungen aufnehmen und verarbeiten, hat sich in den letzten Jahrzehnten die Taufliege Drosophila als der herausragende Modellorganismus etabliert. Drosophila, auch als "Fruchtfliege" bezeichnet, gilt mittlerweile außerdem als außerordentlich hilfreich, um die genetischen Grundlagen von neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz zu erforschen. Zwar hat das menschliche Gehirn eine Million Mal mehr Neuronen als Drosophila, wegen der gemeinsamen Bauprinzipien ermöglicht es die Untersuchung des Minigehirns aber, komplexe Gehirnfunktionen zu verstehen.
Zwölf junge europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nun durch FLiACT die Chance, eine Doktorarbeit auf dem neuesten Stand der Neurowissenschaften aufzunehmen. Die Teilnehmer werden einen großen Teil ihrer Arbeit in Kooperation mit den Partnereinrichtungen erstellen, bspw. durch gemeinsame Experimente. Sie werden in interdisziplinären Workshops darin geschult, sich innovative Technologien im Bereich Neurogenetik, Neuroanatomie, Neuroimaging und Verhaltensanalyse anzueignen und von den industriellen Partnern in dem Projekt z.B. in Fragen zum Technologietransfer oder Projektmanagement unterrichtet. Kooperationsmöglichkeiten bestehen zudem mit dem US-Forschungsinstitut Janelia Farm Research Campus.
Die Arbeitsgruppe von Roland Strauss trägt mit ihren Forschungen über die Biochemie des Lernens und die zugrunde liegenden neuronalen Netzwerke zu dem Projekt bei. Untersucht werden verschiedene Gedächtnisleistungen von wenigen Sekunden bis zu lebenslänglicher Dauer. "Motorisches Lernen durch wiederholtes Üben kann bei Fliegen zum Beispiel lebenslänglich kompliziertes Kletterverhalten verbessern", erklärt Strauss. Die Insekten sind auch in der Lage, sich den Standort eines Objekts zu merken und sich daran zu orientieren, was als eine Gedächtnisleistung verstanden wird. Untersuchungen in Mainz haben gezeigt, dass Fliegen die Position eines Objekts noch für mehrere Sekunden erinnern, nachdem das Objekt aus ihrer Umgebung entfernt worden ist. Die Wissenschaftler stellten fest, dass dieses Orientierungsgedächtnis von einer kleinen Gruppe Neuronen gebildet wird. "Das neue EU-Netzwerk wird unsere Zusammenarbeit mit anderen europäischen Forschungsgruppen voranbringen und so zu einem besseren Verständnis davon führen, wie das Gehirn Informationen verarbeitet und behält", erwartet der Mainzer Neurobiologe.
Das Projekt FLiACT (Systems neuroscience of Drosophila: from genes to circuits to behaviors) ist ein von der EU gefördertes Forscher-Erstausbildungsnetz (Initial Training Network - ITN). Die Koordination liegt bei Dr. Matthieu Louis vom Centre for Genomic Regulation in Barcelona, Spanien.