Interdisziplinärer Verbund untersucht Zellmechanismen zum Schutz und zur Reparatur des Erbguts
26.11.2018
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zum 1. Januar 2019 den neuen Sonderforschungsbereich (SFB) 1361 "Regulation von DNA-Reparatur und Genomstabilität" ein. Neben der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), die die Sprecherschaft unter Prof. Dr. Helle Ulrich übernimmt, sind daran das Institut für Molekulare Biologie gGmbH Mainz (IMB), die Technische Universität Darmstadt, die Ludwig-Maximilians-Universität München sowie die Goethe-Universität Frankfurt am Main beteiligt. Der interdisziplinäre Verbund wird Experten in Strukturbiologie, Organischer Chemie und Biochemie, Zell- und Molekularbiologie sowie genetischer Toxikologie zusammenführen. In der ersten Förderperiode von vier Jahren wird der SFB mit rund 10 Millionen Euro gefördert. Durch seine Forschung soll er einen Beitrag zu unserem Verständnis leisten, wie die unterschiedlichen DNA-Reparatursysteme die Stabilität des Genoms und der in ihm enthaltenen Informationen gewährleisten.
Im Schnitt entstehen pro Tag etwa 10.000 Schäden im Erbgut jeder Zelle unseres Körpers – und jeder dieser Schäden kann prinzipiell zu einer Veränderung, einer Mutation, werden, die zur Entstehung von Krebs oder vorzeitigem Altern führt. Um dies zu verhindern und die gewaltige Menge an Schäden zu reparieren, verfügen Zellen über eine Reihe von Reparaturmechanismen, die unser Genom schützen. Diese Reparaturmechanismen besser zu verstehen, also wie sie reguliert werden und zusammenwirken, um Schäden zu beheben, ist Ziel des nun geförderten SFBs.
DNA-Schäden können durch Umwelteinflüsse wie Strahlung und bestimmte Chemikalien entstehen. Sie kommen aber auch durch den normalen Stoffwechsel einer Zelle zustande, infolgedessen immer wieder reaktionsfreudige Moleküle entstehen, die unsere DNA schädigen. Diese Schäden können die Speicherung, das Kopieren und das Ablesen der Erbinformation behindern. Der Zelle stehen jedoch eine Vielzahl von Mechanismen zum Schutz und zur Reparatur ihres Erbguts zur Verfügung.
Das Zusammenspiel dieser Mechanismen bestimmt maßgeblich das Schicksal einer Zelle: Es reguliert die Balance zwischen Zelltod und dem Überleben der Zelle, aber auch die zwischen der fehlerfreien Behebung eines Schadens und dem Entstehen einer Mutation. Die DNA-Reparatur kann daher die Krebsentstehung sowohl fördern als auch verhindern. Sie trägt zu den zytotoxischen Effekten von Krebstherapien bei, die Zellen abtöten, aber auch zur Resistenz von Krebszellen gegenüber Therapien. Im größeren Zusammenhang beeinflussen Mechanismen zum Erhalt der Genomstabilität auch die Evolution, da sie die genetische Vielfalt erhöhen, auf die sich die natürliche Selektion stützt. Darüber hinaus dient die DNA-Reparatur nicht nur dem Schutz unseres Erbguts, sondern wird auch zur Regulation der Aktivität von Genen herangezogen.
Ziel des SFBs ist es zu erforschen, welche Quellen der Genominstabilität es gibt und was ihre biologischen Auswirkungen sind, über welche Signalwege DNA-Schäden detektiert werden und mit welchen Mechanismen Zellen sich gegen sie schützen. Weiterhin wird der SFB untersuchen, wie die verschiedenen DNA-Reparaturwege reguliert und die wechselseitigen Beziehungen zwischen ihnen kontrolliert werden. Dabei kommen neueste Ansätze in Mikroskopie, Proteomik und Genomik sowie aktuelle Methoden zur Erkennung und Quantifizierung von DNA-Schäden und der DNA-Reparatur zum Einsatz.
Prof. Dr. Helle Ulrich, Professorin im Fachbereich Biologie der JGU, Wissenschaftliche Direktorin am IMB und Sprecherin des SFBs, hält die Einrichtung dieses Sonderforschungsbereichs für einen Meilenstein für den Standort Mainz und Deutschland: "Mit ihrer Förderung gibt uns die DFG die Möglichkeit, in diesem biomedizinisch wichtigen Bereich einen neuen Schwerpunkt der Forschung in Deutschland zu setzen. Durch die Förderung sowohl von innovativen Forschungsprojekten als auch von unterstützenden Strukturen erhält Mainz die Gelegenheit, Synergien zu nutzen und zu den weltweit führenden Standorten aufzuschließen."
In der SFB-Förderlinie der DFG werden langfristige, auf die Dauer von bis zu zwölf Jahren angelegte Forschungsverbünde gefördert, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen eines fächerübergreifenden Forschungsprogramms zusammenarbeiten. Ziel ist eine institutionelle Schwerpunkt- und Strukturbildung durch die Bearbeitung innovativer, anspruchsvoller, aufwendiger und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben durch Koordination und Konzentration von Personen und Ressourcen in den antragstellenden Hochschulen.
Das Institut für Molekulare Biologie gGmbH
Das Institut für Molekulare Biologie gGmbH (IMB) ist ein 2011 auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) gegründetes Exzellenzzentrum der Lebenswissenschaften. Die Spitzenforschung am IMB konzentriert sich auf drei wichtige Schwerpunkte: Epigenetik, Entwicklungsbiologie und Genomstabilität. Das Institut ist ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit öffentlicher Behörden mit einer Privatstiftung. Die Boehringer Ingelheim Stiftung (BIS) stellt über einen Zeitraum von zehn Jahren eine Summe von 100 Millionen Euro bereit, um die Betriebskosten für die Forschung am IMB abzudecken, während das Bundesland Rheinland-Pfalz rund 50 Millionen Euro in den Bau eines zukunftsweisenden Gebäudes investierte. Im Mai 2018 haben die BIS und das Bundesland Rheinland-Pfalz weitere 54 Millionen Euro bzw. 52 Millionen Euro für den Betrieb des IMB zugesagt.
Die Boehringer Ingelheim Stiftung
Die Boehringer Ingelheim Stiftung ist eine rechtlich selbstständige, unabhängige, gemeinnützige Stiftung mit dem Ziel der Förderung der medizinischen, biologischen, chemischen und pharmazeutischen Wissenschaft. Sie wurde 1977 von Hubertus Liebrecht, einem Mitglied der Gesellschafterfamilie des Unternehmens Boehringer Ingelheim, ins Leben gerufen. Mit ihrem Perspektiven-Programm "Plus 3" und den Exploration Grants fördert sie bundesweit exzellente unabhängige Nachwuchsforschergruppen. Außerdem dotiert sie den international angesehenen Heinrich-Wieland-Preis sowie Preise für Nachwuchswissenschaftler und fördert für zehn Jahre den wissenschaftlichen Betrieb des Instituts für Molekulare Biologie (IMB) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit 100 Millionen Euro. Seit 2013 fördert sie ebenfalls über zehn Jahre die Lebenswissenschaften an der JGU mit insgesamt 50 Millionen Euro.