Neue Wegenamen im Botanischen Garten ehren Frauen in den Pflanzenwissenschaften

Ausgewählte Botanikerinnen haben die Pflanzenbiologie des 19. und 20. Jahrhunderts geprägt

08.05.2024

Pflanzen in Botanischen Gärten und Ausstellungen haben ganz selbstverständlich Namenschilder. Im Botanischen Garten der Johannes Gutenberg-Universität Maint (JGU) sind auch die Wege benannt. Allerdings nicht nach Pflanzen, sondern nach Botanikern. Und das schon seit den 1950er-Jahren. Der größte Teil dieser Wegenamen geht auf Wilhelm Troll, den Gründer des Botanischen Gartens auf dem Gutenberg-Campus, zurück. Zur ersten Auswahl gehörte etwa Carl von Linné, der im 18. Jahrhundert die Benennung der Pflanzen standardisierte und für eine streng hierarchische Ordnung sorgte. Nach ihm ist der Hauptweg benannt. Von Anfang an mit dabei ist auch Johann Wolfgang von Goethe, der als Begründer der Pflanzenmorphologie gilt. „Insgesamt sind 21 Wege im Botanischen Garten nach Botanikern benannt. Botanikerinnen waren bislang nicht vertreten“, so Prof. Dr. Meret Huber, die Direktorin des Botanischen Gartens der JGU. „Das mag nicht erstaunen, da Frauen der Zugang zur Wissenschaft bis weit ins 20. Jahrhundert zumindest stark erschwert war. Trotzdem erzielten Frauen schon damals exzellente Leistungen in der Botanik. Dies möchten wir würdigen, indem wir fünf Wege im Botanischen Garten nach herausragenden Botanikerinnen benennen.“

Ausgewählt wurden Botanikerinnen, die die Pflanzenbiologie im 19. und 20. Jahrhundert prägten. „Auch wenn diese Frauen sehr unterschiedliche Biografien haben, so ist ihnen doch eines gemeinsam: eine bewundernswerte Willenskraft und Resilienz“, erklärt Huber. „Dies sind auch heute noch Wesenszüge, die entscheidend dafür sind, dass Frauen sich in der Wissenschaft etablieren können. Ich hoffe daher, dass die Biografien dieser herausragenden Wissenschaftlerinnen wiederum junge Frauen bestärken, das Abenteuer Wissenschaft einzugehen und ihr Können und ihre Fähigkeiten im Bereich der Biologie einzusetzen – was Frauen in der Biologie leisten können, ist in diesen Biografien offensichtlich.“

Agnes-Arber-Weg

Agnes Arber war eine britische Botanikerin mit den Schwerpunkten Morphologie und Anatomie der Pflanzen, Geschichte der Botanik und Philosophie der Biologie. Sie wurde 1879 in London als Agnes Robertson geboren und stammte aus einer gebildeten und wohlhabenden Familie von Künstlern, Wissenschaftlern und Unternehmern. Bereits als Kind fiel ihr großes Interesse an Botanik auf und wurde früh gefördert. 1897 begann sie ihr Studium am University College London, dem ersten britischen College, das auch Abschlüsse an Frauen vergeben durfte. Zwei Jahre später wechselte sie ans Newnham College Cambridge, das speziell für Frauen war.

Trotz vieler Auszeichnungen während ihres Studiums und zahlreicher Publikationen gelang Agnes Arber keine berufliche Wissenschaftskarriere. Das lag sicher in hohem Maße an der frauenkritischen Einstellung des wissenschaftlichen Establishments. Aber auch ihre eigene Skepsis gegenüber Darwins Evolutionstheorie stieß auf Ablehnung. So führte sie viele ihrer umfangreichen, morphologischen und anatomischen Studien zuhause in ihrem privaten Labor durch. Als dies schwieriger zu unterhalten wurde, beschäftigte sie sich stärker und zuletzt ausschließlich mit theoretischen und philosophischen Aspekten der Biologie.

Zu den viel beachteten Standardwerken Agnes Arbers gehören Bücher zur Morphologie der Einkeimblättrigen Pflanzen, zu Wasserpflanzen und zur Geschichte der Kräuterbücher vom 15. bis 17. Jahrhundert. Mit ihrem Werk gibt es zwei Anknüpfungspunkte zur Botanik in Mainz: zum einen über den Gart der Gesundheit, dem ersten deutschsprachigen Kräuterbuch, das 1485 in Mainz verfasst und gedruckt wurde, und zum anderen durch ihren starken Bezug auf die Pflanzenmorphologie Goethes, die sie mit Wilhelm Troll, dem Gründer des Mainzer Botanischen Garten, verbindet. Agnes Arber starb 1960 in Cambridge. Sie war die erste Botanikerin, die 1948 in die Royal Society gewählt wurde.

Elisabeth-Schiemann-Weg

Elisabeth Schiemann begann ihr Studium an der Universität in Berlin 1908, direkt nach der offiziellen Zulassung von Frauen für das Studium in Preußen. Bis dahin war die Möglichkeit einer akademischen Karriere nur Männern vorbehalten. Schon 1912 untersuchte sie für ihre Promotion am Schimmelpilz Aspergillus Mutationen – ein sich damals gerade etablierendes Forschungsfeld. Sie habilitierte 1924 über die Genetik von Sommer- und Wintertypen der Gerste, aber schon da war ihr Schwerpunkt die Geschichte der Kulturpflanzen. Internationale Anerkennung erlangte sie dann mit ihrem Buch über die Entstehung der Kulturpflanzen (1932), das zum Standardwerk in der Pflanzenzüchtung wurde. In der Forschung verband sie systematisch pflanzengeografische Ansätze mit Experimenten und hat auf diese Weise viele neue Impulse für die Kulturpflanzenforschung gesetzt.

Als Folge ihres offenen Bekenntnisses gegen die sogenannte Rassenpolitik, die Judenverfolgung und die Abschaffung des Mehrparteiensystems im Dritten Reich geriet sie in Konflikt mit dem nationalsozialistischen Regime. Im Jahr 1940 wurde ihr die Venia legendi, die universitären Lehrerlaubnis, entzogen. 1946 wurde sie rehabilitiert und erhielt als 65-Jährige eine Professur für Genetik und Geschichte der Kulturpflanzen an der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin.

Ihr politisches und soziales Engagement war neben ihren wissenschaftlichen Leistungen sicher auch der Grund für zahlreiche Auszeichnungen, die sie im Laufe der Karriere erhielt. So wurde sie als erste Frau Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und sie erhielt 1959 als einzige Frau unter 18 Ausgezeichneten die Darwin-Plakette der Leopoldina.

Katharine-Brandegee-Weg

Mary Katharine Brandegee erhielt 1883 die Stelle als Kuratorin für Botanik an der California Academy of Science in San Francisco. Sie leitete das Herbarium und war für den Ausbau und das Management der botanischen Sammlungen verantwortlich. Damit ist sie eine der ganz wenigen Frauen, die bereits im 19. Jahrhundert über eine berufliche Anstellung als Wissenschaftlerin verfügten. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Townshend Stith Brandegee gründete sie 1890 die Zeitschrift Zoe, mit der sie eine eigene Plattform für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge aus dem Bereich der Botanik schuf. Katharine Brandegee unternahm zahlreiche Sammelreisen, vorwiegend im Südwesten Nordamerikas, und gründete mit ihrem Mann auch den ersten Botanischen Garten San Diegos.

Katharine Brandegee war nur auf Umwegen zur Botanik gekommen. 1844 wurde sie als Marie Katharine Layne im Westen Tennessees in einfachen Verhältnissen geboren. Ihre Familie zog in den folgenden Jahren weiter nach Westen, bis sie sich schließlich in Kalifornien niederließ. Nach schwierigen Jahren begann sie im Alter von 31 Jahren in San Francisco ein Medizinstudium, das sie 1878 erfolgreich abschloss. Aber es gelang ihr nicht, als Ärztin zu praktizieren. Die Vorbehalte gegen Frauen in diesem Beruf waren zu groß. So vertiefte sie ihre Studien der Botanik, die sie während ihres Medizinstudiums begonnen hatte.

Katharine und Townshend Brandegees arbeiteten seit 1889 auch eng mit dem deutschen Sammler Carl Albert Purpus zusammen. Purpus, der vom Donnersberg in der Pfalz stammte, sammelte viele Jahre für den Botanischen Garten Darmstadt und die Baumschule Späth in Berlin. Auf diesem Weg sind viele Pflanzen aus dem Südwesten Nordamerikas in den Bestand Botanischer Gärten in Deutschland gekommen. Katharine Brandegee starb 1920 in Berkeley, Kalifornien.

Katherine-Esau-Weg

Die deutsch-russisch-amerikanische Botanikerin Katherine Esau galt über mehrere Jahrzehnte als führend auf dem Gebiet der Anatomie der Pflanzen. Sie leistete einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der Struktur, Entwicklung und Evolution des Phloems, des Teils der pflanzlichen Leitbündel, der die Nährstoffe aus der Photosynthese zum Rest der Pflanze leitet.

Esau lehrte seit 1937 an den Universitäten Davis und Santa Barbara of California. Indem Esau in den 1950er-Jahren die sekundären Phloeme von verschiedenen Zweikeimblättrigen verglich, klärte sie die Funktion und Evolution dieser Gewebe auf. Zwei Jahre vor ihrer Emeritierung im Jahr 1963 wechselte sie an die University of California, Santa Barbara. Dort war sie noch bis 1992 wissenschaftlich aktiv, insbesondere auf dem Gebiet der Elektronenmikroskopie. Esau betrachtete die Jahre in Santa Barbara als ihre produktivsten und erfüllendsten. Sie war daran interessiert, das neue Instrument der Elektronenmikroskopie in ihrer anatomischen Forschung einzusetzen. Heute trägt die elektronenmikroskopische Einrichtung ihren Namen.

Katherine Esau war über die sechs Jahrzehnte ihres wissenschaftlichen Wirkens auch als Lehrerin sehr renommiert und aktiv. Ihr 1953 erschienenes Werk zur Anatomie der Pflanzen gilt als Standardwerk auf diesem Gebiet. Sie erhielt zahlreiche bedeutende Auszeichnungen, darunter 1989 die National Medal of Science – begründet mit der Anerkennung „für ihre herausragenden Leistungen als Pädagogin im Unterricht und in ihren Büchern für die Ermutigung und Inspiration, die sie einer Schar junger aufstrebender Pflanzenbiologen gegeben hat, und dafür, dass sie ein besonderes Vorbild für Frauen war“.

Barbara-McClintock-Weg

Barbara McClintock war eine bedeutende amerikanische Genetikerin und Botanikerin des 20. Jahrhunderts, die für ihre bahnbrechenden Arbeiten über die Struktur und Funktion von Maischromosomen bekannt ist. McClintock entdeckte 1944 die „springenden Gene“ oder Transposons. Transposons sind Teile des Genoms, die sich duplizieren und an einen anderen Ort im Genom einfügen. Dadurch können Transposons Gene zerstören oder auch aktivieren. McClintocke zeigte, dass Transposons dazu führen, dass gewisse Maiskörner dunkel gefärbt sind. Solche Phänomene und Transposons im Allgemeinen sind keine Kuriosität. Das Maisgenom besteht zu 85 Prozent aus Transposons, das menschliche Genom zu ca. 50 Prozent. So mag es nicht erstaunen, dass Transposons großen Einfluss auf die Funktion und Evolution von Organismen haben.

McClintocks Arbeit war nicht nur bahnbrechend, weil sie eine solch wichtige Komponente des Genoms entdeckte, sondern weil sie zeigte, dass das Genom eines Organismus nicht stationär ist, sich verändert und umordnet – ein Konzept, das damals von der Wissenschaft mit großer Kritik angesehen wurde.

Trotz anfänglicher Skepsis erhielt ihre Arbeit später weitreichende Anerkennung und beeinflusste Generationen von Genetikerinnen und Genetikern. McClintocks Erfolge beruhten auf ihrer Hartnäckigkeit und ihren unkonventionellen Forschungsmethoden, die oft im Widerspruch zur wissenschaftlichen Praxis standen. Für ihre Arbeit und die Entdeckung der Transposons erhielt McClintock 1983 als erste Frau allein den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.