Mainzer Wissenschaftler legen Forschungsergebnisse der neuen FluG-Risiko-Studie vor
22.08.2014
Eine neue Studie der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) belegt, dass Fluglärm bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung beziehungsweise einem hohen Risiko für eine solche Erkrankung zu einem deutlichen Gefäßschaden, erhöhtem Blutdruck und zu verminderter Schlafqualität führen. All dies sind Befunde, die die gesundheitsgefährdende Wirkung von Fluglärm weiter belegen. Die neue Studie der Mainzer Wissenschaftler wurde soeben in der Fachzeitschrift Clinical Research in Cardiology veröffentlicht.
"Wir wissen, dass Fluglärm Bluthochdruck, Herzinfarkte und auch Schlaganfälle auslösen kann", erklärt Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz, Vorstandsmitglied der Stiftung Mainzer Herz und Leiter der Studie. "Die Ergebnisse unserer Studie waren so ausgeprägt, dass die Studie schon nach 60 Patienten abgebrochen wurde, obwohl eine Probandenzahl von 100 eingeplant war." Nach Münzels Einschätzung sind die Ergebnisse der Studie ein weiterer Mosaikstein, um die Entstehung von schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Folge von Fluglärm erklären zu können.
Im Rahmen der Studie wurden 60 Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung oder einem erhöhten Risiko für eine Herzerkrankung während des Schlafs mit simuliertem Nachtfluglärm beschallt. Das Durchschnittsalter der Probanden lag bei 61,8 Jahren. "In einem Feldversuch wurden die Patienten zu Hause einer Lärmbelastung ausgesetzt, bei der in einer Versuchsnacht insgesamt 60 Nachtflüge mit einem mittleren Schallpegel von 46 dBA simuliert wurden. Zur Kontrolle hatten wir auch ein lärmfreies Nachtszenario", erläutert Dr. Frank Schmidt aus der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz, der die Studie durchgeführt hat.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass Nachtfluglärm bei den Patienten die Gefäßfunktion, die mit hochauflösenden Ultraschallgeräten gemessen wurde, deutlich verschlechterte. "Die Verschlechterung der Gefäßfunktion war derart ausgeprägt, dass nach einer Zwischenanalyse von 60 Patienten die Studie vorzeitig beendet wurde", so Schmidt. "In unserer ersten Studie konnten wir bereits belegen, dass Nachtfluglärm bei gesunden Probanden die Gefäße schädigt. Gemessen wurde dabei die Erweiterungsfähigkeit der Arterien, die Endothelfunktion, die unter Nachtfluglärm deutlich abnahm. In unserer aktuellen Studie zeigte sich, dass dieser Effekt bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung (KHK) noch deutlich stärker ausgeprägt war", ergänzt Schmidt.
"Bemerkenswert ist, dass der Lärm die Gefäße schädigte, obwohl die Patienten ihre Herzkreislaufmedikamente einnahmen, die die Gefäßfunktion vor Schäden schützen", betont Prof. Dr. Thomas Münzel. "Weiterhin verschlechterte sich die Gefäßfunktion unabhängig davon, ob sich die Patienten über den Lärm geärgert haben oder nicht. Auch die Lärmempfindlichkeit der Patienten spielte keine Rolle. Die Verschlechterung der Gefäßfunktion hat bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung prognostische Bedeutung, da diese mit einem erhöhten Auftreten von Tod durch Herzinfarkt und Schlaganfall verbunden ist", ergänzt Münzel. "Nächtlicher Fluglärm muss damit als wichtiger neuer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bewertet werden. Ärzte können Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin und Diabetes effektiv behandeln. Patienten können mit dem Rauchen aufhören. Lärm ist somit der einzige Herz-Kreislauf-Risikofaktor, den nur die Politik nachhaltig beeinflussen kann", so Münzel.
"Die eindrücklichen Ergebnisse der Studie sind insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund der Erteilung der Baugenehmigung für den dritten Terminal am Frankfurter Flughafen bedeutsam, da sie doch einmal mehr zeigen, dass Fluglärm ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist", kommentiert Prof. Dr. Babette Simon, Vorstandsvorsitzende und Medizinischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz. "Deshalb fordern wir mit Nachdruck eine deutliche Entlastung des Geländes der Universitätsmedizin und der umliegenden Kliniken in Mainz vom Fluglärm und dass dazu alle Optionen des aktiven Schallschutzes zum Einsatz kommen. Alternativlos nach meinem Dafürhalten ist daher ein runder Tisch, um zu einer schnellen und nachhaltigen Lösung zu kommen."
Die Studie wurde von der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz mit Unterstützung der Stiftung Mainzer Herz und der Robert Müller Stiftung durchgeführt.