Molekularbiologin Helle Ulrich erhält ERC Proof-of-Concept-Grant für Forschung zum Ubiquiton-System

Mainzer Forscherteam entwickelt Tool, um Ubiquitinketten und so das Verhalten und Schicksal von Proteinen zu steuern

19.03.2018

Prof. Dr. Helle Ulrich vom Institut für Molekulare Biologie (IMB) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat eine Proof-of-Concept-Förderung vom Europäischen Forschungsrat (ERC) erhalten. Diese Förderung dient der Entwicklung einer neuen experimentellen Methode ("Ubiquiton"), um die Eigenschaften von Proteinen durch Anhängen von sogenannten Ubiquitinketten in lebenden Zellen zu steuern. Mit diesem System können Biologen die Wechselwirkungen der zellulären Faktoren untereinander untersuchen, das Schicksal von Proteinen gezielt manipulieren und die Auswirkungen solcher Modifikationen bestimmen.

Wie der Begriff nahelegt, findet sich das Protein Ubiquitin in allen unseren Zellen. Das Anhängen von Ubiquitin an andere Proteine ist eine der grundlegenden Arten, wie Zellen das Verhalten von Proteinen steuern. Ubiquitin lässt sich mit den Anweisungen eines Theaterregisseurs an seine Akteure vergleichen: Es zeigt ihnen an, was sie tun sollen und wann sie die Bühne verlassen müssen. Diese Anweisungen können komplex sein, da Ubiquitin entweder einfach, mehrfach oder in Form variabler polymerer Ketten an Proteine gebunden werden kann. Dabei bestimmt die spezifische Art der Modifikation die Funktion, den Ort oder das Schicksal eines Proteins, zum Beispiel ob es abgebaut wird.

Wissenschaftler im Forschungslabor von Ulrich entwickeln derzeit eine neue Methode, um Ubiquitinketten nach Wunsch manipulieren zu können. Dies wird ganz neue Wege zu einem besseren Verständnis eröffnen, wie Ubiquitin Proteine steuert. Bis jetzt war es sehr aufwendig zu erforschen, wie unterschiedliche Ubiquitinketten auf Proteine wirken, da es keine guten Tools gab, um die Ketten einfach zu modifizieren. Dies ist wichtig, da unterschiedliche Ubiquitin-Komplexe das Verhalten eines Proteins entscheidend verändern können und fehlgesteuerte oder unkontrollierte Ubiquitinierung zu Krankheiten wie Krebs, Neurodegeneration und Entzündungen führen kann.

Das von Ulrich und ihrem Team entwickelte Tool basiert auf einem innovativen Satz maßgeschneiderter, induzierbarer Enzyme zur Ubiquitinierung, die sich auf den gewünschten Proteinen zu individuellen polyubiquitinierten Ketten verbinden. Dies ist ein wesentlicher Fortschritt für Biologen, die sich mit den Signalwegen in Zellen beschäftigen, wie Ulrich erklärt: "Das Ubiquiton-System ermöglicht uns erstmalig, die Auswirkungen verschiedener Ubiquitin-Signalvorgänge in ganz unterschiedlichen Zellen, Geweben und Organismen zu untersuchen. Bis dato konnten Wissenschaftler lediglich analysieren, welche Art von Polyubiquitinkette ein bestimmtes Protein natürlicherweise trägt oder wie man den Prozess insgesamt blockiert. Es war jedoch unmöglich, Modifikationen zielgerichtet hervorzurufen oder sogar die Art der Kette zu verändern. Genau dies ist mit unserem System nun möglich. Es erlaubt uns, die spezifischen Folgen verschiedenster Arten von Modifikation im Einzelnen zu identifizieren. Das Ubiquiton-System dient als innovatives Forschungstool für all diejenigen Biologen, die die Physiologie der Polyubiquitinierung bei gesunden oder kranken Menschen untersuchen wollen."

Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat die Bedeutung dieser Entwicklung erkannt und einen Proof-of-Concept-Grant an Prof. Dr. Helle Ulrich vergeben, um ihre Forschungen zu unterstützen. Diese prestigeträchtige Förderung wird an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben, die bereits einen ERC Grant eingeworben haben und die aus dem Projekt entstandene Ideen in Innovationen überführen möchten. Ulrich wird die mit dem Grant verbundenen finanziellen Mittel zur weiteren Entwicklung des Ubiquiton-Systems als molekularbiologisches Forschungstool nutzen. Nach Abschluss des Projekts ist geplant, die Techniken und Enzyme einer breiteren wissenschaftlichen Gemeinschaft zugänglich zu machen.

Prof. Dr. Helle Ulrich ist wissenschaftliche Direktorin am IMB und Professorin im Fachbereich Biologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Das Institut für Molekulare Biologie gGmbH

Das Institut für Molekulare Biologie gGmbH (IMB) ist ein 2011 auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) gegründetes Exzellenzzentrum der Lebenswissenschaften. Die Spitzenforschung am IMB konzentriert sich auf drei wichtige Schwerpunkte: Epigenetik, Entwicklungsbiologie und Genomstabilität. Das Institut ist ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit öffentlicher Behörden mit einer Privatstiftung. Die Boehringer Ingelheim Stiftung (BIS) stellt über einen Zeitraum von zehn Jahren eine Summe von 100 Millionen Euro bereit, um die Betriebskosten für die Forschung am IMB abzudecken, während das Bundesland Rheinland-Pfalz rund 50 Millionen Euro in den Bau eines zukunftsweisenden Gebäudes investierte. Im Mai 2018 haben die BIS und das Bundesland Rheinland-Pfalz weitere 54 Millionen Euro bzw. 52 Millionen Euro für den Betrieb des IMB zugesagt.

Die Boehringer Ingelheim Stiftung

Die Boehringer Ingelheim Stiftung ist eine rechtlich selbstständige, unabhängige, gemeinnützige Stiftung mit dem Ziel der Förderung der medizinischen, biologischen, chemischen und pharmazeutischen Wissenschaft. Sie wurde 1977 von Hubertus Liebrecht, einem Mitglied der Gesellschafterfamilie des Unternehmens Boehringer Ingelheim, ins Leben gerufen. Mit ihrem Perspektiven-Programm "Plus 3" und den Exploration Grants fördert sie bundesweit exzellente unabhängige Nachwuchsforschergruppen. Außerdem dotiert sie den international angesehenen Heinrich-Wieland-Preis sowie Preise für Nachwuchswissenschaftler und fördert für zehn Jahre den wissenschaftlichen Betrieb des Instituts für Molekulare Biologie (IMB) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit 100 Millionen Euro. Seit 2013 fördert sie ebenfalls über zehn Jahre die Lebenswissenschaften an der JGU mit insgesamt 50 Millionen Euro.