Menschen vor 400.000 Jahren jagten systematisch Biber

Funde in Ostdeutschland zeigen, dass sich frühe Menschen vielfältiger ernährten als bisher bekannt

29.11.2023

Menschen, die vor rund 400.000 Jahren lebten, machten offenbar systematisch Jagd auf Biber, um sich von ihnen zu ernähren und möglicherweise auch, um ihre Pelze zu erbeuten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA), ebenfalls in Mainz, und der Universität Leiden in den Niederlanden. Wie die Forschenden in der Zeitschrift Scientific Reports berichten, haben sie damit als Erste gezeigt, dass sich Menschen in der Zeit des Mittleren Pleistozäns systematisch von kleineren Tieren und damit vielfältiger ernährten als bisher bekannt. Frühere Forschungsergebnisse hätten lediglich bewiesen, dass sich Menschen damals von Großsäugern, etwa Wildrindern und Nashörnern, ernährten, und zwar, wie sich jetzt zeigt, aus einem einfachen Grund: "Die Überreste von großen Tieren aus dieser Zeit sind im Allgemeinen viel besser erhalten als die von kleinen Tieren, von pflanzlichen Überresten ganz zu schweigen", sagt Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Professorin im Arbeitsbereich für Vor- und Frühgeschichte der JGU und Leiterin des Archäologischen Forschungszentrums und Museums für menschliche Verhaltensevolution, MONREPOS, in Neuwied, das zum LEIZA gehört. Sie hat mit zwei Kollegen, einem ebenfalls von der JGU und dem MONREPOS und einem von der Universität Leiden, die neue Studie verfasst. "Bisher wurden Schnittspuren an altsteinzeitlichen Biberknochen nur sehr selten und an Einzelfunden nachgewiesen. Die großflächigen und langjährigen Grabungen von Dietrich Mania in Bilzingsleben haben unter anderem sehr viele Überreste von Bibern geliefert. Durch deren Studium konnten wir nun zum ersten Mal eine längerfristige Strategie nachweisen, die hinter der Bejagung dieser Tiere steckte", erläutert sie.

Gezielt junge ausgewachsene und damit unerfahrene, aber fettreiche Tiere bejagt

Die Forschenden hatten die etwa 400.000 Jahre alten Knochen von mindestens 94 Bibern, die bereits vor einigen Jahrzehnten von Dietrich Mania in Bilzingsleben, Thüringen, ausgegraben worden waren, mithilfe von Lupen und Digitalmikroskopen untersucht. Dadurch konnten sie Schnittspuren von Steinwerkzeugen identifizieren, die auf eine intensive Nutzung der Kadaver schließen lassen. "Interessant ist auch, dass es sich bei den Überresten in Bilzingsleben vor allem um Knochen junger erwachsener Biber handelt", sagt Gaudzinski-Windheuser. Das weise darauf hin, dass die Menschen damals gezielt Jagd auf unerfahrene, aber ausgewachsene und fettreiche Tiere gemacht hätten. Fett sei eine sehr wichtige Nahrungsresource im Pleistozän gewesen. "Bisher ist die Lehrmeinung, dass die Menschen in Europa sich bis vor zirka 50.000 Jahren vor allem von Großwild ernährten, und dass dies ein wichtiger Unterschied zu den flexiblen Nahrungsstrategien des modernen Menschen sei. Wir konnten nun eindeutig zeigen, dass das Nahrungsspektrum schon viel früher wesentlich breiter war", sagt Gaudzinski-Windheuser.