Ironische Moderation von unzivilen Nutzerkommentaren auf Onlinenachrichtenseiten schädigt Glaubwürdigkeit und Nachrichtenqualität des Mediums
15.11.2016
Journalisten finden auf den Onlineseiten ihrer Medien immer häufiger unhöfliche, wenn nicht gar respektlose und hasserfüllte Kommentare von Nutzern vor. In den Diskussionsforen wird polemisiert und übertrieben, harsche Kritik an Darstellungen geäußert oder auf unzivilisierte, oft auch kränkende Art und Weise Stellung genommen – insbesondere, wenn es um kontrovers diskutierte Themen wie die Impfpflicht oder die Integrationsdebatte geht. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben festgestellt, dass die Moderatoren dieser Onlinenachrichtenseiten gut daran tun, ihre Reaktion auf solche abwertenden Nutzerkommentare genau zu bedenken. Reagieren die Moderatoren etwa mit einem ähnlichen Schema, indem sie die niedrige Qualität der Kommentare mit ironischen oder sarkastischen Bemerkungen kritisieren, steigert dies für Beobachter zwar den Unterhaltungswert der Diskussionen. Gleichzeitig schaden diese Bemerkungen jedoch der Glaubwürdigkeit des Mediums, lassen die kommentierten Nachrichten weniger relevant und professionell wirken und reduzieren darüber hinaus die Bereitschaft der Beobachter, am Diskussionsforum teilzunehmen.
"Skrupellose Journalisten" oder "Sensationslügenverein" sind noch vergleichsweise harmlose Beschimpfungen, die auf Onlinenachrichtenseiten zu lesen sind. "Der Ton in den Diskussionsforen wird insgesamt rauer, Schätzungen zufolge ist jeder fünfte Kommentar unnötig respektlos", so Dr. Marc Ziegele zur Ausgangslage. Der Kommunikationswissenschaftler hat zusammen mit seinem Kollegen Pablo Jost vom Institut für Publizistik der JGU untersucht, wie sich die aktiv-engagierte Moderation von unzivilen Nutzerkommentaren auswirkt. Sie haben dazu 731 Personen an einem Online-Experiment teilnehmen lassen und sie gebeten, ein fiktives Nachrichtenmedium zu beurteilen, das auf respektlose Nutzerkommentare unter Nachrichtenbeiträgen entweder gar nicht, sachlich und höflich oder ironisch-humoristisch reagiert. Anschließend wurden die Probanden gefragt, wie glaubwürdig sie das Medium finden, wie sie die Qualität der kommentierten Nachrichten einschätzen und ob sie sich gerne an den Diskussionen beteiligen würden.
Ziegele und Jost stellen in ihrer Studie fest, dass es dem Image einer Medienmarke schaden kann, wenn die Moderatoren auf niveaulose Nutzerkommentare mit zu viel Humor und Parodie antworten. "In unserem Experiment hat der ironisch bis sarkastische Stil zwar den Unterhaltungswert erhöht, aber die wahrgenommene Glaubwürdigkeit und Nachrichtenqualität verschlechtert", erklärt Ziegele. Eine sachliche Moderation dagegen hat das Diskussionsklima verbessert und darüber die Partizipation gefördert. Diese Effekte treten vor allem bei kontroversen und emotional aufgeladenen Themen auf. "Bei konfliktarmen Themen haben weder sachliche noch ironische Antworten auf respektlose Kommentare einen positiven Effekt, sie schaden aber auch nicht", ergänzt Jost.
Der Umgang mit unzivilen Kommentaren ist mittlerweile ein großes Forschungsfeld, nachdem das Phänomen im Internet und insbesondere auf Facebook zunimmt. "Die Barrieren, seine Meinung zu äußern oder gar andere Nutzer anzugreifen, sind in den sozialen Medien deutlich niedriger", erklärt Ziegele. "Man sieht zudem nicht, was man anderen antut." Die Autoren der Studie, die in der Fachzeitschrift Communication Research publiziert wurde, raten den Nachrichtenmedien angesichts dieser Entwicklung dazu, ihre Reaktionen auf die Respektlosigkeiten genau abzuwägen und ihre Glaubwürdigkeit nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. "Die Medien sollten respektlosen und Hasskommentaren dennoch entschieden entgegentreten", mahnt Jost. "Dadurch übernehmen sie Verantwortung und zeigen, dass sie an hochwertigen Beiträgen interessiert sind." Langfristig könne dies mehr Nutzer dazu ermuntern, zivilisiert miteinander zu diskutieren.