Marvin Schnubel erhält Feodor Lynen-Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung

Neues Theoriemodell soll bei der Suche nach neuer Physik helfen

20.07.2023

Der theoretische Physiker Marvin Schnubel von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erhält ein Feodor Lynen-Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung. Es ermöglicht ihm, ab Herbst dieses Jahres als Postdoc am berühmten Brookhaven National Laboratory (BNL) in den USA zu forschen. Marvin Schnubel hat während seiner Doktorarbeit in der Gruppe von Prof. Dr. Matthias Neubert einen neuartigen theoretischen Ansatz genutzt, um Präzisionstests des Standardmodells der Teilchenphysik in Bezug auf das Higgs-Teilchen durchzuführen. Im Rahmen eines seiner Forschungsvorhaben am BNL möchte er diesen Ansatz weiterentwickeln und auf weitere Prozesse anwenden.

Das "Handwerkszeug" von Marvin Schnubel ist die sogenannte "effektive Feldtheorie (EFT)". "Sie ist die verbindende Klammer all meiner Forschungsprojekte, in Mainz wie in Brookhaven", erläutert Marvin Schnubel. "Denn so unterschiedlich die Projekte sind, die zugrundeliegende Herangehensweise ist identisch und jeweils fest verankert im Bereich der EFT."

Ausgangspunkt ist dabei das sogenannte Standardmodell (SM) der Teilchenphysik. Es beschreibt die Eigenschaften und Wechselwirkungen der fundamentalen Bausteine – der Elementarteilchen – mit erstaunlicher Präzision. Und doch ist klar, dass es nicht die endgültige Theorie sein kann. Beispielsweise erklärt das SM nicht, was dunkle Materie ist oder warum die Massen der einzelnen Elementarteilchen so stark unterschiedlich sind. Eine Möglichkeit zu einer vollständigeren Theorie zu gelangen, ist der Vergleich von theoretischen Vorhersagen auf Basis des SM mit dem Experiment. Gibt es hier Abweichungen, ist das ein Hinweis auf neue Physik. In dem Zusammenhang stellen EFTs Vereinfachungen des kompletten SM dar, mit deren Hilfe man Rechnungen durchführen und aus ihnen präzise Vorhersagen ableiten kann.

In einem von Marvin Schnubels Forschungsprojekten am BNL geht es um Axion-artige Teilchen, die vielversprechende Kandidaten für dunkle Materie sind – hier gilt es deren Eigenschaften, etwa ihre Wechselwirkungen, theoretisch vorherzusagen und mit experimentellen Befunden zu korrelieren bzw. passende Experimente zu konzeptionieren. Entsprechende Vorarbeiten aus der Mainzer Zeit gibt es bereits. Ein zweites Projekt zielt darauf ab, möglichst präzise Vorhersagen aus dem Standardmodell herzuleiten und mit dem experimentell gemessenen Wert zu vergleichen. Denn nur wenn die Theorie ähnlich präzise ist wie das Experiment lassen sich verlässliche Aussagen bezüglich möglicher Abweichungen – und somit im Hinblick auf das Vorkommen neuer Teilchen – treffen. "Wenn Teilchen mit sehr verschiedenen Energien interagieren, kommen traditionelle theoretische Methoden oft an ihre Grenzen. Unter anderem in meiner Doktorarbeit wurde dieses Problem in Bezug auf Entstehung und Zerfall des Higgs-Teilchens aus zwei Gluonen am LHC gelöst", so Marvin Schnubel. "Dazu haben wir auf Basis der EFT die sogenannte Soft Collinear Effective Theory (SCET) genutzt, mit deren Hilfe sich Prozesse in einzelne Anteile zerlegen lassen und sich so der Gesamtprozess insgesamt besser berechnen lässt. Dabei ist die SCET Methode die erste, die in dem Bereich ausreichend genaue analytische Berechnungen erlaubt." Am BNL will Marvin Schnubel die SCET Methode auf weitere Prozesse anwenden und weiterentwickeln, um einerseits die Methode als State-of-the-Art Rechnung zu etablieren und andererseits wichtige theoretische Vorhersagen für Experimente abzuleiten.

Über das Stipendium

Der Biochemiker und Nobelpreisträger Feodor Lynen hat sich als Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung (1975-1979) dafür eingesetzt, das internationale Humboldt-Netzwerk für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Deutschland zu öffnen. Mit dem nach ihm benannten und aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanzierten Stipendium ermöglicht die Humboldt-Stiftung überdurchschnittlich qualifizierten Postdocs oder erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, die am Anfang ihrer wissenschaftlichen Laufbahn stehen, langfristige und weltweite Forschungsaufenthalte im Ausland.