Mainzer Sprachwissenschaftler Jörg Meibauer arbeitet an einer linguistischen Theorie der Lüge

Erforschung des Lügens wird von der VolkswagenStiftung gefördert

07.11.2012

Für seine Arbeit an einer linguistischen Theorie der Lüge erhält der Mainzer Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Jörg Meibauer eine Opus-magnum-Förderung der VolkswagenStiftung. Er wird mit dieser Unterstützung in den kommenden zwei Jahren an dem Projekt arbeiten und die Ergebnisse in einem Buch veröffentlichen.

Obgleich Lügen ein ganz alltägliches Phänomen ist und eine klare sprachliche Basis hat, gibt es einen Mangel an genuin sprachwissenschaftlichen Analysen des Lügens. In der geplanten Monografie wird Lügen als ein Sprechakt der unaufrichtigen Behauptung betrachtet: Beim Lügen repräsentiert der Sprecher die Wahrheit auf eine falsche Weise mit der Absicht, den Hörer zu täuschen. Definitionen wie diese sind zwar in der philosophischen Tradition durchaus gebräuchlich, aber welchen Status sie in Bezug auf die fundamentale linguistische Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik haben, ist bisher nicht im Detail gezeigt worden. Dies ist das wesentliche Ziel der Monografie, die Meibauer, Sprachwissenschaftler am Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erarbeiten will. Sie trägt den Titel "Lying at the semantics-pragmatics interface" und wird im Verlag De Gruyter Mouton (Berlin und New York) erscheinen.

Jörg Meibauer vertritt in Bezug auf das Lügen einerseits die "minimalistische" Sicht, dass der Begriff der Wahrheit und der Wahrheitsbedingung für die Semantik grundlegend ist; Wahrheitsbedingungen werden durch die grammatische Struktur und die lexikalische Ausstattung eines Satzes bestimmt. Anderseits wird in "kontextualistischer" Weise argumentiert, dass der Kontext und pragmatische Schlüsse dem Lügner einen bestimmten Spielraum für das Lügen eröffnen. So können Phänomene der Gesprächsandeutung und der Vagheit durch den Lügner ausgenutzt werden. Die Möglichkeit des Lügens, so wird gezeigt, ist bereits in das Sprachsystem eingebaut. Dadurch wird es erst für den Lügner möglich, die Wahrheit zu manipulieren nach Maßgabe bestimmter Intentionen und sozialer Ziele, die er verfolgt. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind nicht nur relevant für die Sprachwissenschaft, sondern auch für die Sprachphilosophie und die Sprachpsychologie.

Mit der Förderung als "Opus magnum" durch die VolkswagenStiftung (in Verbindung mit der Fritz Thyssen Stiftung) kann der Mainzer Sprachwissenschaftler zwei Jahre freigestellt werden und an der Fertigstellung der geplanten Monografie arbeiten. Die Fördergelder finanzieren eine Nachwuchswissenschaftlerin, die seine universitäre Lehrverpflichtung übernimmt.