Mainzer Medizinern gelingt Abdichtung eines Einrisses der vorderen Hauptschlagader mit High-Tech-Prothese

Einsatz innovativer Technik statt konventionellem Therapieansatz in der Gefäß- und Herzchirurgie

20.09.2013

Einrisse der vorderen Hauptschlagader, sog. Typ A-Dissektionen, führen unbehandelt in der Regel bei 90 Prozent der betroffenen Patienten in den ersten 24 Stunden zum Tod. Bislang galt eine akute Operation mit Herz-Lungen-Maschine als einzige lebensrettende Option. Ein Team um den Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Christian Friedrich Vahl, setzte jetzt erstmals zur Behandlung dieser Erkrankung eine innovative High-Tech-Prothese ein. Die High-Tech-Prothese dichtet die Hauptschlagaderwand von innen ab. Einer Herz-Lungen-Maschine bedarf es bei diesem neuen OP-Verfahren nicht. Die Abdichtungsprothese ließ sich bei dem hochgradig gefährdeten Patienten schonend über die Leiste platzieren.

Weltweit haben Herzchirurgen bis heute die Therapie eines Einrisses der vorderen Hauptschlagader mit einer solchen Endoprothese nur in äußerst wenigen Ausnahmefällen mit Erfolg durchgeführt. Lange Zeit galt eine solch minimal-invasive Operation als zu risikobehaftet, weil lebenswichtige Strukturen aus diesem Abschnitt abgehen, wie die Gefäße, die das Herz selbst mit Blut versorgen, die Aortenklappe oder auch Gefäße, die das Gehirn mit Blut versorgen. "Nach einer intensiven Planungsphase, an der Kardiologen sowie Gefäß- und Herzchirurgen beteiligt waren, war das Risiko aus unserer Sicht kalkulierbar. Den Eingriff führte ein OP-Team unter Leitung des Sektionsleiters für Endovaskuläre Chirurgie, Oberarzt Marwan Youssef, erfolgreich durch", erklärt Vahl. "Noch am Abend nach der Operation war der Patient nicht nur außer Gefahr, sondern bereits vom Beatmungsgerät befreit. Es geht dem Patienten gegenwärtig den Umständen entsprechend gut." Im Vorfeld musste der Patient im Brustraum zweimal voroperiert werden. Vor diesem Hintergrund entschieden die Mainzer Herzchirurgen, dass ein konventioneller Eingriff für den Patienten möglicherweise ein zu hohes Gefährdungspotenzial bedeutet hätte. "Der Einsatz des innovativen Verfahrens war bei dem Patienten sinnvoll, da eine klassische große Operation mit Öffnen des Brustkorbs in einem voroperierten Gebiet mit höheren Begleitrisiken verbunden gewesen wäre als der Einsatz des neuen Verfahrens", unterstreicht Oberarzt Marwan Youssef.

Auch wenn der gelungene operative Eingriff einen Erfolg auf ganzer Linie darstellt, betont Vahl: "Hier dürfen keine falschen Erwartungen geweckt werden. Die Standardtherapie des akuten Einrisses der Hauptschlagader wird auf absehbare Zeit die notfallmäßige Sanierung mit Herz-Lungen-Maschine bleiben." Gleichwohl ist es laut Vahl Aufgabe der akademischen Chirurgie, innovative Strategien zu entwickeln, auch wenn die im aktuellen Stadium der wissenschaftlichen Entwicklung derzeit nur für wenige Patienten geeignet sind.

Akute Einrisse von Hauptschlagadern können jeden Menschen treffen. Zu den besonderen Risikofaktoren zählen ein vergrößerter Umfang der Hauptschlagader, Bluthochdruck sowie bestimmte angeborene Bindegewebserkrankungen. "Besser ist es, wenn man nicht mit der Therapie wartet, bis der akute Einriss kommt, da die notfallmäßig durchgeführte Operation der Typ A-Dissektion auch in spezialisierten Kliniken eine Sterblichkeit von etwa 10 Prozent erreicht", unterstreicht der Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie.