Mainzer Historiker intensivieren Kooperation mit North-West University in Südafrika

Austausch in Forschung und Lehre im Bereich der Historischen Kulturwissenschaften

04.11.2024

Seit rund zehn Jahren steht Prof. Dr. Jörg Rögge vom Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen der North-West University (NWU) in Südafrika. Der Erstkontakt hatte sich im Jahr 2014 im Rahmen der Jahreskonferenz der International Society for Cultural History in Südafrika ergeben. Mittlerweile besteht seit 2021 ein Memorandum of Understanding zwischen der JGU und der NWU, also eine Absichtserklärung zur Kooperation, und die Partner intensivieren seither ihre Zusammenarbeit. "Wir möchten unsere Kooperation auf verschiedenen Ebenen ausbauen – in der Forschung wie in der Lehre", betont Rogge.

Mehrmals im Jahr schließen sich Mainzer Historikerinnen und Historiker in Online-Meetings mit Kolleginnen und Kollegen an den drei Standorten der North-West University zusammen, um sich über aktuelle Forschungsthemen in der Sozial- und Kulturgeschichte auszutauschen. Produktiv wird der Austausch, weil in der Zusammenarbeit deutsche sowie europäische Forschungstraditionen – also Methoden, Theorien und Forschungsfelder – auf spezifisch südafrikanische Perspektiven zur Erforschung der Vergangenheit treffen. Die gemeinsame Arbeit beginnt damit, die Unterschiede und Besonderheiten der Geschichte der beiden Länder kennenzulernen. "Dabei treten immer wieder erhebliche Unterschiede in den Blickpunkt", berichtet Prof. Dr. Jörg Rogge. Während im Mittelalter in Europa die frühneuzeitliche Staatsbildung einsetzte, war der afrikanische Kontinent über Jahrhunderte den kolonialistischen Bestrebungen und Machtansprüchen europäischer Großmächte ausgesetzt. Für die politische und gesellschaftliche Geschichte Südafrikas war die Kolonialzeit unter englischer bzw. burischer Herrschaft im 19. Jahrhundert ebenso prägend wie die Periode der Apartheit von 1948 bis 1989/1990. "Doch gerade wegen dieser offensichtlich sehr unterschiedlichen historischen Entwicklungen in unseren Ländern ist es spannend und erkenntnisfördernd zu erforschen, ob es nicht region- und zeitübergreifende Ähnlichkeiten bei der Organisation des Alltagslebens in Dörfern, Städten und Townships gab", so Rogge.

Gemeinschaftsbildung in Europa und Afrika

Vor diesem Hintergrund planen die Forschenden aus Südafrika und Mainz ein gemeinsames Projekt rund um das Thema Gemeinschaftsbildung: Gibt es Parallelen in der Entwicklung von historischen Dorfgemeinschaften in Europa und modernen Townships in Südafrika? Welche Quellen stehen der Forschung zur Verfügung? Können bestimmte Epochen des europäischen und des (süd-)afrikanischen "Community building" miteinander verglichen und in Relation gesetzt werden? Gibt und gab es jeweils funktionale Äquivalenzen? Mit welchen Schlussfolgerungen und welcher Erkenntnis? "Seitens JGU können wir einen großen Bogen spannen: von der Alten über die Mittelalterliche bis hin zur Neuesten Geschichte und Zeitgeschichte. Und genau dafür interessieren sich unsere südafrikanischen Kolleginnen und Kollegen. Ihr besonderes Interesse gilt der Staaten- und Nationenbildung in Europa vor 1900", erklärt Prof. Dr. Jörg Rogge. Mittelfristiges Ziel ist eine Förderung des deutsch-afrikanischen Forschungsprojekts durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

Zudem möchten die NWU und die JGU perspektivisch auch gemeinsame Lehrprojekte entwickeln, die Masterstudierenden im besten Falle als Credits angerechnet werden. "Natürlich ist es uns wichtig, unsere Studierenden in diese Kooperation einzubeziehen, denn der direkte Austausch ist immens wertvoll – für Forschung und Lehre in der Geschichts- und Kulturwissenschaft und weit darüber hinaus", so Rogge.