DFG setzt interdisziplinäre Forschergruppe ein / Helium-3 als Kontrastmittel liefert detailgetreue Bilder
11.09.2002
"Gut, dann bitte durch die Nase atmen." Im Hintergrund ist das Atemgeräusch der Patientin über das Beatmungsgerät zu hören. "Mit dem nächsten Atemzug anhalten: Jetzt!" Das Atemgeräusch setzt aus, bis wieder ein Kommando ertönt: "Fertig – und weiteratmen." Die Patientin trägt eine Atemmaske und folgt den Anweisungen genau. Sie hat sich als Testperson an der Universitätsklinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zur Verfügung gestellt und erhofft sich von einer neuen Untersuchungsmethode Aufschluss über ihre Lungenerkrankung. Dabei atmet sie zu einem exakt bestimmten Zeitpunkt Helium-Gas ein, das hier als Kontrastmittel dient. Während herkömmliche Verfahren wie Röntgen nur das Lungengewebe abbilden, kann mit Helium erstmals die Verteilung des Atemgases in der Lunge beobachtet werden. Der Bildschirm zeigt, wie das Gas durch die Luftröhre in die Lunge strömt und bis in die kleinsten Verästelungen der Bronchien gelangt.
Die neue radiologische Methode gilt als vielversprechend und soll zu einem Routineverfahren für Lungenuntersuchungen weiterentwickelt werden. Dazu hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) seit August 2002 an der JGU eine interdisziplinäre Forschergruppe aus Medizinern und Naturwissenschaftlern eingesetzt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt die Gruppe unter der Führung der diagnostischen Radiologie mit Prof. Manfred Thelen als Sprecher zunächst für drei Jahre mit zwei Millionen Euro. Eine Verlängerung um drei Jahre ist möglich.
"Die Funktion der Lunge ist noch nicht besonders gut erforscht", erklärt der Radiologe Dr. Hans-Ulrich Kauczor. Das soll sich nun ändern: Die Mainzer Wissenschaftler wollen die komplexe Funktion der menschlichen Lunge aufdecken und dabei vor allem den Gasaustausch genauestens untersuchen. "Bei vielen Lungenerkrankungen sind Belüftung und Durchblutung der Lunge nicht richtig aufeinander abgestimmt, weshalb zu wenig Sauerstoff aufgenommen wird", erläutert Kauczor, der in der Forschergruppe für die Koordination und die Projekte zur Verteilung der Einatemluft zuständig ist. Diese Störungen zu erkennen und ihnen möglicherweise vorzubeugen wäre ein großer Schritt in der Diagnostik und Prävention.
Buchstäblich Licht in das Dunkel bringt dabei die Untersuchung der Lunge mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) nach Einatmung von hochpolarisiertem Helium-3. Der Aufbau dieses Verfahrens gilt als herausragende Leistung der Mainzer Forscher und die JGU zählt auf diesem Gebiet zu den weltweit führenden Einrichtungen. Das Isotop Helium-3 kommt in der Luft nur äußerst selten vor mit einer Konzentration von 13 ppm. Die Physiker greifen daher auf Helium-3 zurück, das als Nebenprodukt in der Kernwaffenproduktion beziehungsweise bei deren Abbau anfällt. Durch Polarisation mit Laserlicht werden die Kerne der Helium-3-Atome möglichst einheitlich ausgerichtet. Die hohe Polarisationsrate von über 60 Prozent gibt ein ausreichend starkes Signal für die medizinische Bildgebung mittels MR. "Wir werden durch die Helium-3-MR exaktere Informationen über die Belüftung und Durchblutung der Lunge bekommen und dadurch die Therapien für Patienten verbessern können", prognostiziert Dr. Hans-Ulrich Kauczor.
Zuvor werden noch zahlreiche Patientenuntersuchungen am Klinikum erfolgen, bis das Verfahren zur Routine ausgereift ist. Parallel dazu werden andere Methoden zur Erforschung der Lungenfunktionen mithilfe der herkömmlichen Magnetresonanztomographie, der Positronenemissionstomographie (PET) und der Computertomographie (CT) eingesetzt und neue Erkenntnisse über die Belüftungs- und Durchblutungsverhältnisse der Lunge liefern. 13 Patienten haben bisher als Testpersonen für die laufende klinische Studie mit Helium-3 auf Kommando ein- und ausgeatmet. Mit den Daten von weiteren 67 Patienten soll die erste Auswertung der Ergebnisse Ende 2004 erfolgen. Regionale Störungen der Verteilung der Einatemluft werden erstmals so untersucht, dass die Wirkung von Medikamenten direkt sichtbar gemacht werden kann.