Enge Nachbarschaft von Kobalt und Kupfer auf einer Elektrode ermöglicht selektive Umwandlung des Treibhausgases CO2 zu Ethanol / Nachhaltigkeit im Fokus der chemischen Forschung
10.10.2024
Die anhaltende Freisetzung von Kohlendioxid in die Atmosphäre trägt maßgeblich zur globalen Erwärmung und zum Klimawandel mit vermehrten Extremwetterereignissen bei. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun ein Verfahren vorgestellt, wie Kohlendioxid effektiv in Ethanol umgewandelt werden kann, das dann als nachhaltiger Rohstoff für chemische Anwendungen zur Verfügung steht. "Wir können das Treibhausgas CO2 der Umgebung entziehen und wieder in einen nachhaltigen Kohlenstoffkreislauf einbringen", erklärt Prof. Dr. Carsten Streb vom Department Chemie der JGU. Seine Arbeitsgruppe hat gezeigt, wie Kohlendioxid elektrokatalytisch in Ethanol umgesetzt werden kann. Bei Verwendung von grünem Strom wäre der Prozess zudem auch nachhaltig und Nahrungspflanzen, die heute zur Gewinnung von Ethanol für Kraftstoffe dienen, stünden wieder für die Ernährung zur Verfügung. Dabei wäre die Umwandlung, die bisher im Labormaßstab erfolgt ist, nach Einschätzung von Carsten Streb auch in größeren Skalen zu realisieren. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt von der Fachzeitschrift ACS Catalysis veröffentlicht.
Ideales Tandem bewirkt selektive elektrokatalytische Umwandlung
Die elektrochemische Umwandlung von CO2 in Multikohlenstoffprodukte wie beispielsweise Ethanol wäre ein idealer Weg, um Kraftstoffe mit hoher Energiedichte und wertvolle chemische Rohstoffe zu erhalten, gleichzeitig CO2 als Ausgangsstoff zu nutzen und es so zu einem gewissen Maß der Atmosphäre zu entziehen. "Dazu brauchen wir geeignete Katalysatoren, die diese Umwandlung mit hoher Selektivität bewerkstelligen, sodass wir eine hohe Ausbeute des gewünschten Produkts, in unserem Fall Ethanol, erhalten", so Streb.
Zu diesem Zweck hat seine Forschungsgruppe eine spezielle Elektrode konzipiert, an der die chemischen Reaktionen ablaufen. Sie ist mit einem schwarzen Pulver beschichtet, das Kobalt und Kupfer in genau dosierten Mengen enthält. Die beiden Metalle müssen zudem in ganz bestimmten Abständen auf der Elektrode sitzen. "Die Herausforderung besteht zunächst darin, Kohlendioxid zur Reaktion zu bringen. Zwischen den Atomen des Moleküls herrschen sehr starke Bindungen, aber Kobalt kann diese Bindungen knacken", erläutert Streb. So entsteht zunächst Kohlenmonoxid – kein idealer Rohstoff für die chemische Industrie. Daher kommt in einem zweiten Schritt Kupfer zum Zug, das die Reaktion zu Ethanol bewerkstelligt. "Dies funktioniert allerdings nur, wenn Kobalt und Kupfer auf der Elektrode nah beieinander liegen", merkt der Chemiker zum eigentlichen Kunstgriff, der den Erfolg gebracht hat, an.
Spitzenwerte bei der Selektivität sollen noch weiter gesteigert werden
Die Selektivität des Verfahrens beträgt 80 Prozent, was bedeutet, dass 80 Prozent des Ausgangsstoffs zu Ethanol umgewandelt werden – das beste Ergebnis, das bisher in der Forschung erreicht wurde. Maßgeblichen Anteil an der Optimierung der Ergebnisse hatte Dr. Soressa Abera Chala. Er ist Erstautor der Veröffentlichung und kam als Postdoc mit einem Humboldt‐Forschungsstipendium aus Äthiopien nach Mainz. Auch zwei Co-Autoren, Dr. Rongji Liu und Dr. Ekemena Oseghe, sind als Stipendiaten der Alexander von Humboldt‐Stiftung im Arbeitsbereich von Streb tätig. Aktuell arbeitet die Gruppe daran, die Ausbeute noch weiter auf 90 bis 95 Prozent zu steigern. Wünschenswert wäre ein Katalysator, der sogar eine einhundertprozentige Selektivität erreicht, sodass am Ende keine weiteren Stoffe, sondern lediglich Ethanol vorliegt.
Kooperation im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio "CataLight"
Solch ein potenzieller Erfolg hängt auch von der Prozessführung ab, besonders aber von der Beladung der Elektrode mit Kobalt und Kupfer. "Man muss die einzelnen Atome sehen können. Dies geht nur mit einem speziellen Elektronenmikroskop", so Streb. Die Mainzer Chemikerinnen und Chemiker kooperieren dazu im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio 234 "CataLight" mit der Universität Ulm. Letztlich soll der Katalysator außerdem nicht nur effektiv sein, sondern auch möglichst lange gut funktionieren. Die Stabilität des Systems, so zeigten die Forschungen, ist hervorragend und verzeichnet auch nach mehreren Monaten noch keinen Leistungsverlust.
Schließlich kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt zum Tragen, der das Kobalt-Kupfer-Tandem auszeichnet und einen Hauptaspekt für die Auswahl der Metalle darstellt: Sie sind auf der Erde reichlich vorhanden. Das gesamte Verfahren könnte auch mit Edelmetallen wie Platin oder Palladium aufgesetzt werden, allerdings zu einem hohen Preis, der keine industrielle Perspektive bietet.
Nachhaltige Produktion von Ethanol schont Nahrungsressourcen und liefert neue Energie
"Mit der Nutzung von global verfügbaren Rohstoffen als Katalysatoren folgen wir einem Ansatz in der aktuellen Forschung, vermehrt Nicht-Edelmetalle in den Blick zu nehmen", erklärt Prof. Dr. Carsten Streb. So könnte mit diesem Verfahren in Zukunft Ethanol nachhaltig aus grünem Strom und Kohlendioxid – zum Beispiel aus Kraftwerken – hergestellt werden. Große Mengen Ethanol werden derzeit unter anderem in Brasilien aus Zuckerrohr oder Mais erzeugt, wodurch diese Nahrungspflanzen nicht mehr für die Bevölkerung zur Verfügung stehen. Durch das vorgestellte Verfahren würde sich also ein neuer und nachhaltiger Weg zur Herstellung von Ethanol aufzeigen, das gelagert und bei Bedarf auch dezentral für die Stromerzeugung genutzt werden könnte.
Arbeiten im Umfeld des Profilbereichs SusInnoScience
Carsten Streb ist seit 2022 Professor für Anorganische Chemie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er ist leitender Wissenschaftler in mehreren Verbundprojekten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Carl-Zeiss-Stiftung, die sich mit nachhaltigen Methoden in der Katalyseforschung beschäftigen. Er ist außerdem Fellow des Gutenberg Forschungskollegs (GFK) der JGU.
Die jetzigen Forschungsarbeiten erfolgen im Umfeld des Profilbereichs SusInnoScience, kurz für "Sustainable chemistry as the key to innovation in resource-efficient science in the Anthropocene". Die Profilbereiche der JGU vereinen international etablierte Arbeitsgruppen, die bereits herausragende Leistungen erbracht haben.