Kein erhöhtes Hirntumor-Risiko durch Mobiltelefone

Deutscher Beitrag zur internationalen Interphone-Studie in 13 Ländern

30.01.2006

Handys sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Deshalb ist es wichtig, genau zu prüfen, ob ihr Gebrauch gesundheitsschädlich ist. Einen Beitrag dazu liefert die Interphone-Studie mit dem jetzt vorgestellten Ergebnis, dass insgesamt gesehen in Deutschland bei Nutzern von Handys und Schnurlostelefonen kein erhöhtes Risiko beobachtet wurde, an einem Hirntumor, einem Gliom oder Meningeom, zu erkranken. Für Personen, die seit zehn Jahren Handys nutzen, wurde ein leicht erhöhtes Risiko für Gliome gefunden. Allerdings kann dieser Befund erst nach Abschluss der internationalen Auswertung bewertet werden, da er aufgrund der kleinen Fallzahl auch ein Zufallsbefund sein könnte.

Mobiltelefone und Schnurlostelefone emittieren im Gegensatz zu Telefonen mit Schnur hochfrequente elektromagnetische Felder. Zum Schutz der Bevölkerung gibt es Grenzwerte. Elektromagnetische Felder unterhalb dieser Grenzwerte verursachen nach derzeitigem Wissen keine Gesundheitsschäden. Da Handys und Schnurlostelefone direkt an den Kopf gehalten werden, kommt die Strahlenbelastung, insbesondere durch Handys, den Grenzwerten aber relativ nahe.

Trotz fehlender konkreter Hinweise auf eine mögliche Gesundheitsschädigung wurde aufgrund der starken Verbreitung der Mobilfunktechnologie frühzeitig beschlossen, epidemiologische Studien durchzuführen. Insbesondere sollte untersucht werden, ob die Nutzung von Handys ein höheres Risiko für Hirntumore, genauer gesagt Gliome, Meningeome und Akustikusneurinome, darstellt. Zu diesem Zweck wurde im Herbst 2000 die internationale Interphone-Studie in 13 Ländern begonnen, die von der International Agency for Research on Cancer (IARC) in Lyon koordiniert wird. In Deutschland wurde die Interphone-Studie gemeinsam vom Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik des Universitätsklinikums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der AG Umweltepidemiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der AG Epidemiologie und Medizinische Statistik der Universität Bielefeld durchgeführt.

Studiendesign und Ergebnisse

Die Studienregion in Deutschland umfasst die Zentren Bielefeld, Heidelberg, Mannheim und Mainz. Zwischen Oktober 2000 und November 2003 wurden alle in diesen Regionen wohnenden und neu an einem Hirntumor erkrankten Personen im Alter zwischen 30 und 69 Jahren zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Insgesamt nahmen 366 Patienten mit einem Gliom, 381 mit einem Meningeom und 97 mit einem Akustikusneurinom teil. Dies entspricht einer Teilnahmerate von mehr als 85 Prozent. Die Kontrollgruppe bestand aus 1.535 Personen, die zufällig aus der Bevölkerung der Studienregion ausgewählt wurden. Mit Patienten und Kontrollpersonen wurde ein systematisches Interview durchgeführt.

Die regelmäßige Nutzung eines Handys mindestens einmal pro Woche war nicht mit einem höheren Risiko verbunden, an einem Gliom oder Meningeom zu erkranken. Es wurde kein höheres Risiko mit ansteigender Nutzungsintensität beobachtet. Auch unter intensiven Mobiltelefonnutzern, also bei einer Handynutzung von mindestens 30 Minuten pro Tag, zeigte sich kein höheres Hirntumorrisiko.

Nur wenige Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer benutzten ein Mobiltelefon zehn Jahre und länger. Hierunter befinden sich vor allem Nutzer analoger C-Netz-Telefone. Für diese Langzeitnutzer wurde eine Verdopplung des Risikos beobachtet, an einem Gliom zu erkranken. Da das Ergebnis aber auf einer sehr kleinen Fallzahl beruht, kann es auch ein statistischer Zufall sein oder unbekannte Störfaktoren können eine Rolle spielen. Das Ergebnis erfordert aber Beachtung, weil in der Gruppe mit der längsten Nutzungsdauer ein Risiko auch am plausibelsten wäre. In den Gehirnregionen, die am stärksten durch die Strahlung der Mobiltelefone belastet werden, traten Tumore insgesamt nicht häufiger auf als erwartet. Dies wiederum stützt nicht die Hypothese eines ursächlichen Zusammenhangs.

Für die Nutzer von Schnurlostelefonen wurde kein erhöhtes Risiko beobachtet. Zwar arbeiten Schnurlostelefone mit deutlich weniger Sendeleistung als Handys, dafür ist die Nutzungsdauer oft sehr viel länger. Bei den schnurlosen Telefonen sendet in der Regel die zugehörige Basisstation dauerhaft hochfrequente Funksignale zu den Handgeräten. Die höchste Belastung durch solche Basisstation ergibt sich durch eine Aufstellung in Bettnähe, da hier von der längsten konstanten Bestrahlungsdauer ausgegangen wird. Personen, die die Basisstation ihres Schnurlostelefons in Bettnähe aufgestellt haben, hatten kein höheres Risiko, an einem Hirntumor zu erkranken.

Bewertung der Ergebnisse im internationalen Kontext

Insgesamt gesehen wurde unter Nutzern von Mobiltelefonen kein höheres Risiko beobachtet, an einem Gliom oder Meningeom zu erkranken. Dieses Ergebnis des deutschen Teils der Interphone-Studie entspricht weitgehend den bereits veröffentlichten Ergebnissen der Interphone-Studie aus Schweden und Dänemark. Entgegen diesen beiden Teilstudien zeigte sich im deutschen Teil jedoch ein tendenziell erhöhtes Gliomrisiko unter Langzeitanwendern von Mobiltelefonen. Ein wissenschaftlich belastbares Urteil über diese Nutzergruppe wird aufgrund der kleinen Fallzahlen in diesen nationalen Teilstudien allerdings erst nach Abschluss der zusammengefassten Auswertung der Interphone-Studien aller 13 Länder möglich sein. Bei Nutzern von Schnurlostelefonen zeigte sich keine Risikoerhöhung, weder bei der Exposition durch das Handgerät noch durch die Basisstation.

Interphone-Deutschland wurde gefördert durch die Europäische Union, die International Union Against Cancer (UICC), das Deutsche Mobilfunkforschungsprogramm der Bundesregierung, das Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, das Ministerium für Umwelt Nordrhein-Westfalen und das MAIFOR Forschungsprogramm des Fachbereichs Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die UICC erhielt zum Zweck der Studienförderung Mittel vom Mobile Manufacturers' Forum und der GSM Association. Über die UICC konnte die Mobilfunkindustrie ihrer Verantwortung zur Forschungsförderung bei gleichzeitiger Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Forschungsnehmer nachkommen.