Durch späte Einfügung von Stickstoff können Heterozyklen besser aufgebaut werden
05.09.2024
Für die schnelle, effiziente und aussichtsreiche Herstellung von neuen Molekülen, die unter anderem als Wirkstoffe in Arzneimitteln dienen können, erhält Prof. Dr. Johannes Wahl, Wissenschaftler im Department Chemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), eine Förderung der Europäischen Union. Der European Research Council (ERC) unterstützt das Projekt "Molecular Editing by Nitrogen Insertion – NINSERT" mit einem Starting Grant in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro. Beim ERC Starting Grant handelt sich um ein Förderinstrument, das Forschenden am Anfang ihrer Laufbahn den Aufbau oder die feste Etablierung einer eigenständigen Arbeitsgruppe ermöglicht. Die Förderung ist für fünf Jahre vorgesehen. Ziel des NINSERT-Projekts ist es, die Synthesen von stickstoffhaltigen Verbindungen zu vereinfachen und damit vielversprechende Kandidaten für die pharmazeutische Forschung zu ermitteln und deren Eigenschaften anzupassen.
NINSERT – ein Programm für selektive und milde Stickstoffeinfügungen
Stickstoff ist das vorherrschende Element in der Luft und als Bestandteil von Proteinen für Lebewesen unverzichtbar. Stickstoff kommt aber auch in etwa 60 Prozent aller niedermolekularen Arzneimittel vor, also dem größten Teil der zugelassenen Medikamente. Hier bilden Stickstoff-Heterozyklen die funktionelle Gruppe, indem sie wesentlich die Eigenschaften des jeweiligen Moleküls bestimmen. Dies zeigt, welche Bedeutung das jetzt genehmigte Projekt für die pharmazeutische Forschung in Zukunft haben kann. "Stickstoff-Heterozyklen sind faszinierende Verbindungen. Sie kommen in vielen Naturstoffen vor und – weil ihre Eigenschaften so gut sind – auch in den am weitesten verbreiteten Medikamenten", so Prof. Dr. Johannes Wahl. "In dem Forschungsprojekt wollen wir uns darauf konzentrieren, wie man aussichtsreiche Kandidaten mit neuen Methoden synthetisieren kann."
Nach Wahls Darstellung gibt es historisch betrachtet viele Synthesen, wie man einen Heterozyklus aufbauen kann. Bei Heterozyklen handelt es sich um organische Verbindungen in einer Ringstruktur, die außer Kohlenstoff auch noch ein anderes Element enthält – in diesem Fall Stickstoff. Schon vor über einem Jahrhundert haben die deutschen Chemiker Ernst Beckmann und Karl-Friedrich Schmidt Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet. Aber auch wenn deren Methoden teilweise noch angewendet werden, so leiden sie doch unter erheblichen Einschränkungen. "Die Ausgangssubstrate sind begrenzt, die Bedingungen für die chemischen Reaktionen sind harsch und die Ergebnisse unspezifisch", so Wahl.
Stickstoff-Einbau soll erst am Ende erfolgen
Er wird mit seinem Team im Rahmen von NINSERT leistungsstarke Werkzeuge erforschen, entwickeln und testen, damit die Synthese von stickstoffhaltigen Verbindungen verbessert werden kann. Während Stickstoff meistens am Anfang eines Prozesses eingebaut wird, soll dies künftig erst am Ende erfolgen, wozu es neuer Methoden bedarf. "Wir brauchen neue Reagenzien und mildere Bedingungen", erläutert Wahl. "Dann können wir die wichtigen Grundgerüste für Medikamente spezifisch verändern und den Prozess der Medikamentenentwicklung deutlich beschleunigen." Durch eine späte Einfügung von Stickstoff können die physikalisch-chemischen Eigenschaften besser angepasst werden. Das Prinzip, Stickstoff zu einem späten Zeitpunkt in das Gerüst einzubinden, ist in jüngster Zeit in den Vordergrund der organischen Chemie gerückt. Wahl arbeitet seit etwa fünf Jahren auf dem Gebiet und gehört damit zu den Schrittmachern auf diesem Forschungsfeld.
Johannes Wahl, Jahrgang 1989, hat Chemie studiert und ist nach Abschluss seines Masterstudiums 2012 zum Forschungsteam des Novartis Institute of Biomedical Research in der Schweiz gestoßen. Für seine Doktorarbeit in Organischer Chemie war er von 2013 bis 2016 an der TU München tätig und danach als Postdoc an der Indiana University in den USA. Seit 2020 ist er Juniorprofessor im Department Chemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Für seine Arbeiten in Mainz kann Wahl auf die außergewöhnlichen wissenschaftlichen Ressourcen und analytischen Einrichtungen am Department Chemie zugreifen.
ERC Starting Grant unterstützt vielversprechende Ideen junger Forschender
Beim ERC Starting Grant handelt es sich um eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU, die an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben wird. ERC Starting Grants unterstützen herausragende Forschende am Anfang ihrer Karriere, wenn sie ihr eigenes Forschungsteam oder Forschungsprogramm aufbauen. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Exzellenz müssen die Antragstellenden den bahnbrechenden Ansatz ihres Projekts und seine Machbarkeit nachweisen, um die Förderung zu erhalten.