Jan Philipp Reemtsma ist Inhaber der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2008

"Vertrauen und Gewalt" aus sozial- und literaturwissenschaftlicher Sicht

22.04.2008

Er beobachtet unsere Gesellschaft mit hoher Sensibilität und seismographisch genau: Jan Philipp Reemtsma reflektiert Fragestellungen von literarischer, historischer, politischer und philosophischer Relevanz zur rechten Zeit und rückt diese in den Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses. Der Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Hamburg und Geschäftsführende Vorstand des Hamburger Instituts für Sozialforschung ist Inhaber der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur der "Freunde der Universität Mainz e.V." im Jahr 2008. In seiner interdisziplinär ausgerichteten Veranstaltungsreihe wird er sich mit der aktuellen und gesellschaftlich brisanten Problematik von "Vertrauen und Gewalt" auseinandersetzen. "Wir sind stolz, dass es uns gelungen ist, diese außergewöhnliche Persönlichkeit für ein Semester nach Mainz zu holen", erklärt Dr. Klaus Adam, Vorsitzender der Vereinigung der "Freunde der Universität Mainz e.V.", "Jan Philipp Reemtsma gehört zu den klügsten Köpfen unseres Landes und überzeugt durch seinen mutigen und unabhängigen Geist. Mit seinen brillanten Analysen nimmt der herausragende Wissenschaftler und Sozialforscher nicht nur Einfluss auf Kultur, Politik und Gesellschaft. Vielmehr hat er mit kritischen Fragestellungen und eindeutigen Antworten vielfach überhaupt erst den Impuls für öffentliche Diskussionen gegeben – und wird somit dem Anspruch unserer Stiftungsprofessur in geradezu idealer Weise gerecht."

Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Philipp Reemtsma, geboren 1952, lebt und arbeitet vorwiegend in Hamburg. Er ist Gründer und Geschäftsführender Vorstand des Hamburger Instituts für Sozialforschung sowie der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Hamburg und Vorstand der Arno Schmidt Stiftung. Seit 1999 ist er Ehrendoktor der Universität Konstanz; im November 2007 wurde er mit der Ehrendoktorwürde der Universität Magdeburg ausgezeichnet. Im Oktober 2007 erhielt er den Teddy Kollek Preis der Jerusalem Foundation in der Knesset in Jerusalem. Als bedeutender Mäzen und Stifter unterstützt er eine Vielzahl von Projekten und Institutionen.

Zu den Arbeitsbereichen des 1984 von Jan Philipp Reemtsma gegründeten Hamburger Instituts für Sozialforschung zählen die Schwerpunkte Theorie und Geschichte der Gewalt und die Gesellschaft Deutschlands. Die wissenschaftliche Aufarbeitung von Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen individueller und institutioneller Gewalt ist Jan Philipp Reemtsma ein wichtiges Anliegen. Mit dem Thema Gewalt setzt er sich in Publikationen wie "Folter im Rechtsstaat?", "Die Gewalt spricht nicht", "Mord am Strand. Allianzen von Zivilisation und Barbarei" oder "Warum Hagen Jung-Ortlieb erschlug. Unzeitgemäßes über Krieg und Tod" auseinander. Zurzeit gilt sein besonderes Forschungsinteresse der Analyse des Verhältnisses von Vertrauen und Gewalt; die gleichnamige Publikation ist vor einigen Wochen erschienen.

Seit den Anfängen der Geschichte ist die Gewalt ein Wegbegleiter des Menschen. Sie hat die politische Wirklichkeit des 20. Jahrhunderts zutiefst geprägt, und zu Beginn des neuen Jahrhunderts steigt die Gewaltbereitschaft erneut. In seiner Veranstaltungsreihe im Sommersemester 2008 erörtert Jan Philipp Reemtsma die aktuelle und brisante Problematik von "Vertrauen und Gewalt" aus sozial- und literaturwissenschaftlicher Sicht. Er fragt, was eigentlich "soziales Vertrauen" ist, wie es sich zu den Gewaltexzessen des 20. Jahrhunderts verhält und wie das kulturspezifische Kohäsionsprinzip – das Prinzip des Zusammenhaltes – in der Moderne beschaffen ist.

Mit den Gastrednern Christian Pross, Gerhard Roth und Harald Welzer diskutiert Jan Philipp Reemtsma Fragen wie: Welche psychischen und praktischen Risiken birgt der Umgang mit den Phänomenen der Gewalt und ihren Folgen? Was kann die Neurobiologie zum Verständnis von Aggression und Gewalt beitragen? Vor welche methodischen Probleme stellt uns die klassische Frage, wie "ganz normale Menschen" zu extremen Gewalttätern werden können? "Nach den naturwissenschaftlichen und medizinischen Themen der beiden vergangenen Jahre steht nun eine geistes- und sozialwissenschaftliche Problematik im Vordergrund der Stiftungsprofessur 2008", sagt der Vorsitzende der Stiftung, Prof. Dr. Andreas Cesana. "Gewalt und Vertrauen sind alltägliche, aber noch weitgehend unverstandene Phänomene. Sie sind Phänomene der Menschheit, nicht einer bestimmten Zeit. Jan Philipp Reemtsma wechselt gekonnt zwischen wissenschaftlichen Disziplinen, indem er versucht, das Verstehen von Gewalt durch die Verbindung von sozial- und literaturwissenschaftlichen Perspektiven zu befördern. Seine Ausführungen sind immer auch eindrucksvolle Plädoyers für die Aktualität großer Literatur."

Öffnung der Universität: Akzeptanz in der Öffentlichkeit

Vorbehalten ist sie herausragenden Wissenschaftlern und Persönlichkeiten von internationalem Renommee: Die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur der Vereinigung der Freunde soll das Ansehen und die Attraktivität der Universität über die Landesgrenzen hinaus fördern und neue Akzente setzen. Als Nachfolger von Fritz Stern, Bert Hölldobler und Hans-Dietrich Genscher, Wolfgang Frühwald, Klaus Töpfer, Peter Ruzicka, Anton Zeilinger und Fritz Melchers wird somit auch im Jahr 2008 ein Gastprofessor von internationaler Bedeutung nach Mainz
kommen.

"Ich bin sicher, dass die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2008 erneut einen großen Zuhörerkreis, nicht nur aus der Universität, sondern auch aus der Stadt und dem Mainzer Umland, finden wird und damit zu einem lebendigen Wissenschaftsstandort Rhein-Main beiträgt", betont der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität, Prof. Dr. Georg Krausch, "Jan Philipp Reemtsma überzeugt in seinem umfangreichen publizistischen Werk einerseits durch seine kritischen Reflexionen unserer Zeit, gleichzeitig aber auch durch sein vorbildhaftes bürgerliches Engagement im Rahmen seiner Stiftungen. Damit beweist er seinen Willen und seine Bereitschaft zur Mitverantwortung – als nachhaltigen Ausdruck von Gemeinsinn und damit als Gewinn für unsere freie Gesellschaft."

Eingerichtet hat die "Vereinigung der Freunde" die Stiftungsprofessur aus Anlass des 600. Geburtstags von Johannes Gutenberg im Jahr 2000. Inhaber der Stiftungsprofessur waren der Kulturhistoriker und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels Fritz Stern (2000), der führende Vertreter der Evolutionsbiologie und Pionier der Soziobiologie Bert Hölldobler (2001), der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (2002), der ehemalige Präsident der DFG und heutige Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung Wolfgang Frühwald (2003), der ehemalige Exekutiv-Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) Klaus Töpfer (2004), der Komponist und Dirigent Peter Ruzicka (2005), der Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger (2006) und der Immunologe Fritz Melchers (2007).

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