Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger in Jura, Medizin und Lehramt zeigen Defizite bei der kritischen Nutzung von Online-Informationen in ihrem Fachgebiet
29.06.2023
Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern mangelt es häufig an den erforderlichen Fähigkeiten, um das Internet effektiv für die Bewältigung von beruflichen Aufgabenstellungen zu nutzen. Zu diesem Ergebnis kommen Untersuchungen, die seit drei Jahren an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) in einem Forschungsverbund mit der Goethe-Universität Frankfurt am Main durchgeführt werden. Aktuelle Forschungen und die Hochschulpraxis zeigen deutlich, dass mittlerweile das Internet auch bei der Ausbildung von Studierenden einen zentralen Stellenwert einnimmt und die Studierenden das Internet zunehmend als ihre Haupt-Informationsquelle im Studium verwenden. Wie effektiv die Online-Quellen im Anschluss an das Studium von Berufseinsteigern genutzt werden, war daher Gegenstand der Untersuchungen in den drei Bereichen Jura, Medizin und Lehramt, die eine große gesellschaftliche Relevanz haben und in denen es besonders wichtig ist, auf dem neuesten Informationsstand zu sein. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kompetenz zum kritischen Umgang mit Online-Informationen bereits während des Studiums durch ein gezieltes Training gefördert werden sollte. Das Feedback zu dem neu entwickelten digitalen Training war seitens der Studienteilnehmer positiv.
Fähigkeiten zur generellen und zur fachspezifischen Internet-Nutzung untersucht
Im Internetzeitalter wird die Kompetenz zur kritischen Nutzung von Online-Informationen immer wichtiger – sowohl im Alltag, als auch bei der Berufstätigkeit, auf die das Studium vorbereiten soll. An der JGU untersucht das Forschungsprojekt BRIDGE (Berufspraktische Bildungsprozesse im Recht- und Lehramtsreferendariat sowie der Medizin unter Nutzung digitaler Medien) unter der Leitung von Prof. Dr. Olga Zlatkin-Troitschanskaia die Fähigkeit von Studierenden und Berufsanfängern im Umgang mit Online-Medien. Ermittelt werden dabei einerseits die Fähigkeiten bei der generellen, der sogenannten generischen Nutzung des Internets für alltägliche Themen, beispielsweise um die Frage zu beantworten, ob Elektrofahrräder die Gesundheit fördern. Andererseits werden die Fähigkeiten zur Recherche, Evaluation und Nutzung von Online-Quellen zur Lösung von fachspezifischen Aufgaben analysiert, zum Beispiel bei Lehrkräften für die Erstellung eines Unterrichtsplans oder bei Medizinern für die Erstellung eines Diagnoseplans.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Online-Fähigkeiten der Berufsanfänger bei der Lösung von alltäglichen Aufgabenstellungen oft gut sind", sagt Marie-Theres Nagel, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin im BRIDGE-Projekt tätig ist. Allerdings gelang es den Studienteilnehmern oft nicht, diese generische Kompetenz auch auf berufsspezifische Aufgabenstellungen zu übertragen und erfolgreich anzuwenden. "Die generischen und die fachspezifischen Kompetenzen für den kritischen Umgang mit Online-Informationen hängen nicht unbedingt miteinander zusammen", so Nagel. Mit den Worten von Olga Zlatkin-Troitschanskaia: "Während zum Beispiel ein Medizinstudent das Internet zur Lösung einer berufsspezifischen Aufgabe, wie der Erstellung eines Diagnoseplans, sehr effektiv nutzen kann, kann er gleichzeitig große Defizite bei der Internetnutzung zum Lösen einer generischen Aufgabe zur Pandemie aufweisen und umgekehrt." Defizite zeigten die Teilnehmer aus den drei Domänen Jura, Medizin und Lehramt vor allem bei der Suche nach hochqualitativen Quellen und Einschätzung der Webseitenqualität und Zuverlässigkeit der Informationen.
Internet-Kompetenz sollte bereits im Studium fachspezifisch trainiert werden
"Die entsprechenden Internet-Kompetenzen sollten daher im Rahmen des Studiums gezielt und auch fachspezifisch gefördert werden", sagt Nagel. Einen Ansatz dafür stellt das digitale Training dar, das in BRIDGE entwickelt wurde. Auf Basis der ermittelten individuellen Stärken und Schwächen kann systematisch eine gezielte Förderung angeboten werden. "Die Studierenden brauchen diese grundlegenden Kompetenzen, um sich in der ständig verändernden digitalen Medienlandschaft zu behaupten. Von unseren Studienteilnehmern haben wir ein positives Feedback im Hinblick auf die Trainingseffekte erhalten."
Im weiteren Verlauf berücksichtigt und testet das Forschungsteam unter der Leitung von Olga Zlatkin-Troitschanskaia an der JGU auch die neuesten Entwicklungen und Anwendungen auf dem Feld der künstlichen Intelligenz wie ChatGPT, beispielsweise inwieweit KI-Programme in der Lage sind, die allgemeinen und fachspezifischen Aufgabenstellungen aus den Erhebungen zu lösen.
Forschungsprojekt BRIDGE im Rahmen der Kooperation der Rhein-Main-Universitäten
Das Projekt BRIDGE wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Es erfolgt im Rahmen der Kooperation der strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU), die die Goethe-Universität Frankfurt am Main, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz und die Technische Universität Darmstadt als renommierte Forschungsuniversitäten bilden. Mit einer Rahmenvereinbarung im Dezember 2015 wurde diese bereits langjährig bestehende Partnerschaft zur strategischen Allianz ausgebaut, um die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Universitäten zu stärken, gemeinsam Studienangebote zu verbessern und Wissenstransfer und Vernetzung mit der Gesellschaft zu gestalten.