Klimamodelle sollten angepasst werden
11.09.2012
Aerosolpartikel spielen für das Klima eine bedeutende Rolle. Ein internationales Forscherteam hat jetzt herausgefunden, dass ein chemischer Prozess in der Atmosphäre, der als Alterung bezeichnet wird, die Konzentration und die Eigenschaften von Aerosolteilchen stark beeinflusst. Dies wurde in regionalen und globalen Klimamodellen bislang nicht berücksichtigt. Mit der Muchachas-Studie (Multiple Chamber Aerosol Chemical Aging Experiments) hat das Forscherteam den Einfluss der Alterung nicht nur nachgewiesen, sondern auch quantifiziert. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht.
Aerosolpartikel spielen eine entscheidende Rolle für die Luftqualität und werden als Feinstaub für eine Reihe von Atemwegserkrankungen sowie Herz- und Kreislaufbeschwerden verantwortlich gemacht. Darüber hinaus beeinflussen Aerosolpartikel auf verschiedenen Wegen den Strahlungshaushalt der Atmosphäre. So tragen Aerosole über Streuung, Reflexion und Absorption von Sonnenlicht direkt zum Strahlungsbudget der wolkenlosen Atmosphäre bei. Zudem spielen Aerosole eine essenzielle Rolle bei der Wolkenbildung in der Troposphäre, indem sie als Kondensationskerne schon bei relativ geringen Wasserdampfübersättigungen eine Tröpfchenbildung ermöglichen.
Die Größe und Konzentration der Aerosolpartikel ist deshalb von unmittelbarer Bedeutung für die Zahl der Wolkentröpfchen, die ihrerseits das Reflexionsverhalten von Wolken beeinflusst. Damit kühlen Aerosolpartikel tendenziell die Atmosphäre. Allerdings sind die genauen Prozesse und Rückkopplungsmechanismen bisher nur unvollständig verstanden, sodass das Zusammenspiel zwischen Aerosolpartikeln, ihrer Eignung als Wolkenkondensationskerne und dem von der Erdoberfläche wieder reflektierten Sonnenlicht eine der größten Unsicherheiten bei der Berechnung des Klimaantriebs darstellt.
Das Muchachas-Projekt hat organische Aerosole untersucht, die einen Großteil der chemischen Zusammensetzung von luftgetragenen Partikeln ausmachen. Organische Aerosole entstehen beispielsweise über Wäldern, wo sie an manchen Orten wie den Great Smoky Mountains, Blue Ridges oder Blue Mountains als blauer Dunst wahrgenommen werden können. Gerade in dicht besiedelten Gebieten spielen aber auch anthropogen freigesetzte Kohlenwasserstoffe als Vorläufer zur sekundären organischen Aerosolbildung eine bedeutende Rolle.
Die Untersuchungen zeigten, dass Masse und Zusammensetzung von organischen Aerosolen durch OH-Radikale signifikant beeinflusst werden. OH-Radikale sind das wichtigste Oxidationsmittel der Atmosphäre und tragen ganz wesentlich zur Luftreinigung bei. Die Wissenschaftler aus Pittsburgh (USA), Jülich, Karlsruhe, Mainz, Göteborg (Schweden), Kopenhagen (Dänemark) und Villigen (Schweiz) haben bei ihren Messungen in vier verschiedenen großvolumigen atmosphärischen Simulationskammern gezeigt, dass der als Alterung bezeichnete Oxidationsprozess einen signifikanten Effekt hat und die Eigenschaften und Konzentration von organischen Aerosolen während ihres gesamten Zyklus in der Atmosphäre beeinflusst.
"Neue Klimamodelle werden diese Ergebnisse berücksichtigen müssen", erwartet Prof. Dr. Thorsten Hoffmann vom Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Die Mainzer Forscher haben v.a. mit der Entwicklung analytischer Techniken zum Studium der chemischen Zusammensetzung der Aerosolpartikel zur Muchachas-Studie beigetragen. Durch die Entwicklung sog. weicher Ionisationsverfahren und entsprechender Massenspektrometer konnte die Arbeitsgruppe um Hoffmann die Konzentrationen einzelner Molekülspezies in den Atmosphärensimulationskammern verfolgen und damit letztlich die Alterung des atmosphärischen Aerosols auf molekularer Basis verstehen. Dadurch ließ sich auch klar zeigen, dass die Oxidation in der Gas- und nicht der Partikelphase abläuft. "Jetzt gilt es, die zugrunde liegenden Reaktionen in regionale und globale atmosphären-chemische Modelle zu integrieren, um so die Diskrepanz zwischen den erwarteten und den tatsächlich beobachteten Konzentrationen organischer Aerosolpartikel zu verringern", so Hoffmann.