Doraden wurden in der Bardawil-Lagune in großem Maßstab gefischt und als Trockenfisch in das heutige Israel transportiert
27.09.2018
Bereits vor rund 3.500 Jahren herrschte am Rande des südöstlichen Mittelmeers ein reger Fischhandel. Darauf lässt eine Untersuchung von 100 Fischzähnen schließen, die von Fundstätten aus dem Bereich des heutigen Israel stammen. Die Meeresfische – Goldbrassen, auch Doraden genannt – wurden in der Bardawil-Lagune an der nördlichen Sinai-Küste gefischt und dann von Ägypten nach Israel transportiert. Dieser Fischtransport erfolgte rund 2.000 Jahre lang von der späten Bronzezeit bis in die byzantinische Periode rund 300 bis 600 n.Chr. "Die Zahnuntersuchungen ergaben, dass die Doraden aus einem sehr salzhaltigen Gewässer kommen müssen, viel salzhaltiger als das Wasser im Mittelmeer", teilt Prof. Dr. Thomas Tütken von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) mit. Der Geowissenschaftler war an der Studie gemeinsam mit Kollegen aus Israel und Göttingen entscheidend beteiligt. Die Bardawil-Lagune hat sich vor 4.000 Jahren gebildet, als es nach der Eiszeit zu einer Stabilisierung der Meeresspiegel gekommen war. Die Lagune wurde intensiv befischt und war der Ausgangpunkt für einen ausgedehnten Fischhandel.
Wie archäologische Funde zeigen, war der Fischfang für viele alte Kulturen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. In der südlichen Levante wurde Sparus aurata, so der wissenschaftliche Name der Goldbrasse, bereits vor 50.000 Jahren von lokalen Küstenfischern gefangen. "Exotische" Fische wie beispielsweise der Nilbarsch wurden bereits vor über 5.000 Jahren von Ägypten nach Kanaan transportiert. Die jetzige Studie zeigt jedoch, in welchem Ausmaß der Handel zwischen den beiden Nachbarn in der späten Bronzezeit zugenommen hat und 2.000 Jahre lang bis in die byzantinische Zeit Bestand hatte. "Die Bardawil-Lagune war offenbar eine große, fischreiche Quelle und Ausgangspunkt der Fischlieferungen nach Kanaan, dem heutigen Israel, obwohl die Doraden auch dort lokal hätten gefangen werden können", so Mitautor Prof. Dr. Andreas Pack von der Universität Göttingen.
Fischzähne dokumentieren Handel über 2.000 Jahre hinweg
Doraden sind Speisefische, die sich selbst vorwiegend von Krebsen und Muscheln ernähren. Sie haben ein Knackgebiss mit knopfförmigen Zähnen, um die Schalentiere aufzubrechen und an das Futter zu kommen. In der Studie wurden 100 große Knackzähne von Goldbrassen untersucht. Die Zähne stammen von 12 archäologischen Fundstellen in der südlichen Levante, die teils im Inland, teils an der Küste liegen und einen Zeitraum von der Jungsteinzeit bis zur byzantinischen Periode abdecken. Die Wissenschaftler haben zum einen die Sauerstoffisotope 18O und 16O im Zahnschmelz der Doraden analysiert. Das Verhältnis von 18O zu 16O gibt Aufschluss über die Verdunstungsrate und damit über den Salzgehalt des Umgebungswassers, in dem die Fische lebten. Zum anderen kann die Größe des Knackzahns zur Abschätzung der Körperlänge des Fisches herangezogen werden.
Die Analysen zeigten, dass die Goldbrassen zum Teil aus dem südöstlichen Mittelmeer stammen, etwa drei Viertel jedoch wuchsen in einem sehr salzhaltigen Gewässer auf. Dafür kommt nur die Bardawil-Lagune in Frage, deren hypersalines Wasser mit einem Salzgehalt zwischen 3,9 und 7,4 Prozent Meerbrassen ein optimales Wachstum ermöglicht. Die Bardawil-Lagune an der Sinai-Küste ist etwa 30 Kilometer lang, 14 Kilometer breit und maximal 3 Meter tief. Sie ist durch einen schmalen Sandriegel vom Mittelmeer abgetrennt.
"Es gab eine Festlandroute von dort nach Kanaan, aber die Fische wurden vermutlich als Trockenfisch auf dem Seeweg transportiert", fügt Tütken an. Doraden waren damals schon ein beliebter Speisefisch, auch wenn genaue Mengen nicht zu ermitteln sind. Tatsache ist jedoch, dass die gehandelten Fische ab der späten Bronzezeit deutlich kleiner waren als in der Zeit davor.
Der Rückgang der Körperlänge ist nach Einschätzung der Wissenschaftler ein Zeichen dafür, dass die Bestände zunehmend befischt wurden, die Fischfangintensität also gestiegen ist – wie in heutigen Zeiten auch. "Fischfang und Fischhandel haben offenbar stark zugenommen, so stark, dass die Tiere nicht mehr so groß wurden", sagt Tütken mit einem Hinweis darauf, dass hier der Beginn einer intensiven Fischnutzung, eine Art "Protoaquakultur" entstanden ist, die 2.000 Jahre lang Bestand hatte.
Prof. Dr. Thomas Tütken, Geowissenschaftler in der Angewandten und Analytischen Paläontologie der JGU, hat 2016 einen ERC Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates erhalten. Die jetzige Forschungsstudie entstand in Kooperation mit einem anderen ERC-Projekt der Kollegen in Israel. Dazu hielt sich Dr. Guy Sisma-Ventura, heute an der Forschungseinrichtung Israel Oceanographic and Limnological Research (IOLR), für einen Monat in Mainz auf, wo der Hauptteil der Sauerstoffisotopenanalysen durchgeführt wurde.