Viruseigene Papain-ähnliche Protease wird von neuartigen Inhibitoren angegriffen / Wirksamkeit gegen SARS-CoV und SARS-CoV-2 in Zellkultur ermittelt
17.12.2020
Während gegen den Krankheitserreger SARS-CoV-2 die ersten Impfstoffe entwickelt wurden, sind wirksame Medikamente zur Behandlung einer Infektion mit dem Coronavirus noch in der Erforschung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Gießen, Mainz und Würzburg haben in einer Arbeit der Grundlagenforschung nun Ansatzpunkte gefunden, die zur Entwicklung von Wirkstoffen gegen Coronaviren allgemein und auch gegen den aktuellen Erreger der Covid-19-Pandemie beitragen könnten. Dabei handelt es sich um Hemmstoffe, die sich gegen ein Virusenzym richten. "Die Inhibitoren greifen dieses Enzym an und machen es unwirksam, worauf sich das Virus nicht mehr vermehren kann", sagt die Studienleiterin Prof. Dr. Tanja Schirmeister von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). "Anhand unserer Erkenntnisse könnten eventuell Wirkstoffe entwickelt werden, die nicht nur gegen aktuelle, sondern auch gegen künftige Coronaviren wirken."
Die Arbeitsgruppe von Tanja Schirmeister vom Institut für Pharmazeutische und Biomedizinische Wissenschaften der JGU arbeitete zunächst an dem heute als SARS-CoV bezeichneten Virus der Pandemie von 2002/2003. Damals haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an zwei wichtigen Virusenzymen geforscht, für eines der beiden Enzyme konnte ein Hemmstoff entwickelt werden. Dieser Ansatz wurde auf die jetzige Arbeit übertragen. "Da homologe Enzyme in SARS-CoV-2 existieren, haben wir unsere alten Hemmstoffe an diesen Enzymen und dem Virus selbst getestet", erklärt Schirmeister. Bei den Enzymen handelt es sich um Proteasen, die das Virus für seine Vermehrung benötigt. Werden diese eiweißspaltenden Enzyme gehemmt, können sich die Viren nicht mehr replizieren.
Struktur der Proteasen und Strukturwirkungszusammenhänge entdecken
Zunächst war es notwendig, dass die Struktur der Proteasen aufgedeckt wurde. Anhand der Struktur wurden dann mithilfe von Computerprogrammen geeignete Wirkstoffe gesucht. Hier arbeitete das Mainzer Team mit den Experten für Computer-Aided Drug Design (CADD) um Prof. Dr. Christoph Sotriffer von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg zusammen. Die Synthese von vielversprechenden Kandidaten und ihre Testung erfolgte dann in Mainz. "Potenzielle Hemmstoffe werden zunächst am Reißbrett entworfen, dann müssen sie ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen", sagt Schirmeister. Ihre Gruppe hat etwa 40 bis 45 verschiedene Verbindungen gegen SARS-CoV-2 getestet, darunter alle alten Hemmstoffe, die schon gegen SARS-CoV mit im Spiel waren. "Wir synthetisieren aber auch Stoffe, die nicht wirksam sind. Damit prüfen wir, ob die Angaben der Computermodelle valide sind."
Der Test erfolgte zuerst gegen das Zielenzym, also gegen die für die Vermehrung der Viren notwendige Papain-ähnliche Protease. Ein positives Resultat sagt allerdings noch nichts darüber aus, ob der Hemmstoff auch die Virusvermehrung stoppt. Als nächstes wird er daher gegen das Virus selbst eingesetzt. Fällt hier das Ergebnis ebenfalls hoffnungsvoll aus, muss schließlich noch die Toxizität geprüft werden. Man will somit sicherstellen, dass die Zelle, in der sich das Virus befindet, nicht beeinträchtigt wird.
Hemmstoffe zeigen antivirale Wirkung
An diesem mehrstufigen Prozess waren außer den medizinischen Chemikern in Mainz und Würzburg auch Virologen um Prof. Dr. John Ziebuhr von der Justus-Liebig-Universität Gießen beteiligt. Die Arbeit zeigt, dass nicht-peptidische Moleküle die Zielenzyme hemmen können und antiviral wirksam sind. Das Forscherteam vermutet, dass die gefundenen Hemmstoffe möglicherweise eine größere Bedeutung haben. "Es ist ein Ausgangspunkt, um weiter in Richtung pancoronale Hemmstoffe zu forschen, weil sich die Proteasen dieser Viren ähnlich sind", bemerkt Tanja Schirmeister. "Das heißt, wir finden auf diesem Weg vielleicht breit wirksame, antivirale Stoffe, die gegen bereits bekannte und neu auftauchende Coronaviren effektiv sind." Mit ihrer Arbeit, die im Fachjournal ChemMedChem veröffentlicht wurde, haben die Kooperationspartner auch ein tieferes Verständnis über die Bindungsmechanismen der Hemmstoffe an das Enzym erlangt.