"Goldkörnchen im Rheinsande"

Stadt Germersheim beauftragt Mainzer Historiker mit Aufarbeitung ihrer jüngeren Geschichte

26.10.2005

Eine "einfache, kleine Stadt mit bescheidenen, bürgerlichen Verhältnissen" – so hat im Jahr 1898 der damalige Stadtschreiber Germersheim dargestellt. Wie sich die Universitätsstadt Germersheim in ihrer jüngeren Geschichte entwickelt hat, untersucht nun ein Forschungsprojekt an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Die Stadt Germersheim hat Prof. Dr. Michael Kißener vom Historischen Seminar damit beauftragt, eine moderne wissenschaftliche Geschichte der Stadt im 20. Jahrhundert zu erarbeiten. Das Projekt wird von der Stadt Germersheim sowie der Zukunfts- und Innovationsstiftung der Sparkasse Germersheim-Kandel finanziert.

Das Team um Kißener nimmt erstmals in den Blick, wie sich die vormals bayerische Festungs- und Garnisonsstadt, die nach dem Ersten Weltkrieg bis 1930 von französischen Truppen besetzt war, nach den nationalsozialistischen Jahren zum aufstrebenden Mittelzentrum und zur Universitätsstadt im Südosten von Rheinland-Pfalz entwickelt hat. In der neuen Darstellung sollen jeweils die Vorgänge in der Stadt mit allgemeinen Entwicklungen in Deutschland und in Europa verglichen werden. Im Rahmen einer politischen und gesellschaftlichen Geschichte werden strukturelle Fragen erörtert, so die Bereiche Stadtentwicklung, Innere Sicherheit und Justiz, Wirtschaft, Militär, Kunst und Kultur, Bildung und Hochschule, Religion und Kirchen, Vereine und Soziales.

Die beteiligten Historiker haben sich darauf eingestellt, dass ihnen ihre Aufgabe, geeignete Quellen ausfindig zu machen, nicht minder Mühen bereiten wird als ihrem Vorgänger 1898. Dieser habe sich als "Goldwäscher" gesehen, der unter großen Anstrengungen "eine Fülle von Tatsachen gleichsam wie Goldkörnchen im Rheinsande" zusammenlesen musste. Die Arbeitsgruppe um Michael Kißener hat indes nicht nur den Anspruch, die "Goldkörnchen" zu finden, sondern sie auch für den Leser zu analysieren, interpretieren und ansprechend aufzubereiten. Ein Buch und eine multimediale CD sollen dieses Anliegen unterstützen.

Michael Kißener, Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte, befasst sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz und ist Kenner der Zeit des Nationalsozialismus. Er widmet sich den deutsch-französischen Beziehungen vor allem aus regionalgeschichtlicher Perspektive. Im Sinne der Nachwuchsförderung sind an dem neuen Projekt nicht nur erfahrene Historiker, sondern auch Studenten und Doktoranden beteiligt. Die neue Stadtgeschichte soll bis 2009 vorliegen.