Festakt für Illustratorin der Werke Astrid Lindgrens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
15.05.2024
Ilon Wikland, die Illustratorin der Werke Astrid Lindgrens, ist mit dem Goldenen Pinsel 2024 für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden. In der Alten Mensa der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wurde die schwedisch-estnische Künstlerin geehrt, deren detailreiche und stimmungsvolle Bilderwelten in die Kindheitserinnerungen mehrerer Generationen eingegangen sind. Der Preis wird von Stifterin Nina Dulleck, Illustratorin und Autorin aus Rheinhessen, in Kooperation mit der Abteilung Buchwissenschaft der JGU verliehen.
Wiklands außerordentliches Talent ist es, "Geschichten mit bildlicher Sprache zu erzählen", aus Worten "Helden aus Fleisch und Blut" und eine "einzigartige Welt" zu erschaffen, die wie eine "Bildermelodie" immer wieder gesungen werde, würdigte Laudator und Wikland-Experte Anton Pärn die Preisträgerin. Der geschäftsführende Direktor der Foundation of Haapsalu and Läänemaa Museums in Estland bezeichnete sie als "meine, deine, unsere Künstlerin" – das sei "die größte Anerkennung, die nur wenigen zuteilwird".
Besonders prominent sichtbar wurde Wiklands Kunst in der Zusammenarbeit mit Astrid Lindgren. Was 1953 mit einer Probezeichnung für "Mio, mein Mio" begann, mündete in eine 40-jährige Arbeits- und Freundschaftsbeziehung, die für Text- wie Bildautorin ausschlaggebend werden sollte: Aus der kongenialen Verbindung von Wort und Bild entstanden äußerst erfolgreiche Bücher mit einer "Durchbruchskraft" bis hinter den Eisernen Vorhang. Die sehr enge Zusammenarbeit "der beiden Großen" mache es für Leser "manchmal unmöglich, sie voneinander zu trennen", so Pärn. Trotz des Altersunterschieds von mehr als 22 Jahren verband sie viel: Beide schöpften ihre Werke aus einer glücklichen Kindheit, so Pärn – in großer Freiheit und Geborgenheit, mit Freunden, in der Natur, im sicheren sozialen Gefüge von Familie und Kleinstadt. Gemeinsam waren ihnen auch Erfahrungen aus dem Krieg und dem frühen Start in ein eigenständiges Leben. "Ich muss es schaffen", erinnert Pärn, oft von Wikland gehört zu haben.
Ilon Wikland wurde als moderne, eigenständige Frau porträtiert, mit durchaus verblüffenden Verbindungen in die Gegenwart: 1930 im estnischen Tartu geboren und bei ihren Großeltern in Haapsalu aufgewachsen, flüchtete sie als 14-Jährige vor der sowjetischen Besatzung und aus Angst vor Deportation auf dem letzten Motorboot über die Ostsee nach Schweden. Sie lebte fortan bei ihrer Tante in Stockholm und begann dort bereits ein Jahr später ihr Kunststudium. Im Anschluss suchte sie Arbeit als freiberufliche Illustratorin und bewältigte das Leben als berufstätige Mutter von vier Töchtern in weiten Teilen allein, während ihr Mann als Marineoffizier unterwegs war. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion 1989 wurde Ilon Wikland auch in ihrer Heimat bekannt. 2006 schenkte sie ihrer Heimatstadt Haapsalu mehr als 800 Illustrationen und gründete dort das Museum "Iloni Imedemaa" ("Ilons Wunderland") – als Dank für ihre glücklichen Kindheitsjahre. Zu ihrem Spätwerk zählen biografische Kinderbücher, darunter "Die lange, lange Reise", in denen Wikland ihre Erinnerungen an das Glück in Haapsalu, aber auch den Schmerz des Abschieds und die Schrecken des Krieges und der Flucht verarbeitet hat. Zuletzt illustrierte sie 2014 das Buch "Peter und der Wolf": Dort drückte sie Sorge und Kritik an der russischen Krim-Annexion und am Krieg in der Ostukraine aus, indem sie den Jägern Gesichter von Stalin und Putin verlieh.
Die langjährige Leiterin der Verlagsgruppe Oetinger, Verlegerin und Übersetzerin Silke Weitendorf, schilderte den Beginn der langjährigen Zusammenarbeit mit Ilon Wikland in Deutschland: Vor 70 Jahren suchte der Verlag für Lindgrens "Kinder aus Bullerbü" eine von der schwedischen Ausgabe abweichende Illustration. Weitendorf, deren Eltern Astrid Lindgrens Bücher in Deutschland verlegten, überreichte anlässlich der Preisverleihung Buchpakete des Oetinger Verlags an Mainzer Grundschulen. Symbolisch nahm Juliane Opalka, Leiterin des Mainzer Amts für Jugend und Familie, die Geschenke in Empfang.
Der Goldene Pinsel 2024 wurde im Rahmen des Seminars "Das Buch und andere Medien: Buch und Bild" der Mainzer Buchwissenschaft verliehen. Hier behandeln Studierende im Sommersemester 2024 auch die Zeichnungen Ilon Wiklands in den Büchern von Astrid Lindgren. Zur Preisverleihung angereist waren Ilon Wiklands Tochter Fredrika Wikland und ihr Mann Herbert Werder aus der Schweiz, die das Bild der Künstlerin durch persönliche Eindrücke ergänzten. Der Kinderchor der katholischen Kirchengemeinde St. Cosmas u. Damian (Gau-Algesheim) unter Leitung von Marina Herrmann begleitete den Festakt musikalisch.
Die 94-jährige Künstlerin lebt heute zurückgezogen in der Nähe von Stockholm. Persönlich überreicht wurde ihr der Goldenen Pinsel 2024 daher bereits am 26. August 2023 in Stockholm von Stifterin Nina Dulleck. Der Preis sei ihr "Dank für eine Kindheit voller Bilder, für unendliche Welten ohne Worte", so Dulleck. Der Goldene Pinsel ist zum dritten Mal verliehen worden, bisherige Preisträger sind Felicitas Kuhn (2020) und Helmut Spanner (2022). "Der Goldene Pinsel möchte Aufmerksamkeit auf Kinderbuch-Illustratorinnen und -Illustratoren lenken, ohne deren Werk die Kindheit vieler nicht die gewesen wäre, die sie war, und ohne die der Kinderbuchmarkt nicht der wäre, der er heute ist und in Zukunft sein wird", so Dulleck.