Gen-Einfluss auf Chemotherapien untersucht

Mainzer Pharmakologen veröffentlichen in Circulation

12.12.2005

Im Kampf gegen den Krebs sind Anthrazykline ein effektives Mittel. Allerdings verursachen diese Chemotherapeutika zum Teil erhebliche Nebenwirkungen: Bei einigen Patienten führen die Medikamente zu Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) haben unter Leitung des Pharmakologen Dr. Leszek Wojnowski von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) jetzt herausgefunden, dass unsere Gene die Wirkung der Anthrazykline beeinflussen. Patienten mit bestimmten Erbanlagen haben ein besonders hohes Risiko, an einer Herzschwäche zu erkranken, wenn sie mit Anthrazyklinen behandelt werden. Wenn sich das Ergebnis in weiteren Studien bestätigen lässt, könnte in Zukunft die Gefährdung der Patienten mithilfe eines einfachen genetischen Tests vor Therapiebeginn bestimmt und die Behandlung dementsprechend angepasst werden. Von den etwa 200.000 Krebspatienten, die jährlich mit Anthrazyklinen behandelt werden, entwickeln ungefähr 10.000 bis 12.000 diese Nebenwirkung, die häufig tödlich endet.

Das Forscherteam aus Pharmakologen, Biologen und Medizinern untersuchte die Gene von 1.697 Patienten, die unter einer Form von Lymphdrüsenkrebs, dem Non-Hodgkin-Lymphom, leiden. Insgesamt fanden die Wissenschaftler fünf Erbanlagen, die nach Anthrazyklin-Einnahme das Risiko eines Herzversagens erheblich erhöhen. Drei dieser Genveränderungen begünstigen die Entstehung von giftigen Sauerstoffverbindungen in der Zelle, wenn gleichzeitig Anthrazykline vorliegen. Da Herzmuskelzellen kaum Enzyme besitzen, die diese zerstörerischen Sauerstoffverbindungen beseitigen, richten diese Moleküle bei ihnen besonders großen Schaden an. Zwei weitere genetische Varianten betreffen Transport-Proteine in der Außenmembran der Zellen. Anthrazykline, die nicht nur für Krebszellen, sondern auch für normale Körperzellen giftig sind, werden normalerweise über solche Transportproteine schnell aus der Zelle herausbefördert.

Die Ergebnisse der NGFN-Wissenschaftler deuten darauf hin, dass dieser Schutzmechanismus bei einigen Menschen nicht optimal funktioniert. Das könnte vor allem die Herzmuskel-Zellen schwächen. Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Circulation veröffentlicht.

Die NGFN-Forscher wollen nun die molekularen Vorgänge genauer analysieren, die zu Schädigungen des Herzmuskels führen, damit die Forschungsergebnisse möglichst bald für die Diagnose eingesetzt werden können. "Unser Ziel ist es, das Risiko für eine Herzinsuffizienz bereits vor der Therapie zu bestimmen. Der Arzt könnte dann die Behandlung individuell auf den Patienten abstimmen, so dass das Herz möglichst wenig geschädigt wird", sagt Leszek Wojnowski, Professor am Institut für Pharmakologie der JGU, über die Folgen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie. "Außerdem hoffen wir, auch die herzschädigenden Wirkungen anderer Medikamente und das Herzversagen insgesamt besser zu verstehen."

Im Rahmen des NGFN unterstützt das BMBF krankheitsorientierte Genomforschung in Deutschland seit dem Jahr 2001.