PRISMA+-Forschungsprogramm in der Neutrinophysik wird weiter ausgebaut
07.06.2021
Die Neutrinoforschung ist ein wichtiger Schwerpunkt des Exzellenzclusters PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU): Mainzer Forscherinnen und Forscher sind an vielen internationalen Großexperimenten am Südpol, in Italien und in China beteiligt. Jetzt hat die JGU gemeinsam mit dem Fermilab Prof. Dr. Alfons Weber zum neuen W3-Professor berufen. Der ausgewiesene Neutrino-Experte wechselt von der renommierten Oxford University nach Mainz und wird das Neutrino-Forschungsprogramm weiter stärken. Sein Schwerpunkt liegt im Vorantreiben der deutschen Beteiligung am nächsten großen Neutrinoexperiment, dem Deep Underground Neutrino Experiment (DUNE) am Fermilab in der Nähe von Chicago.
"Wir freuen uns sehr, dass wir gemeinsam mit dem Fermilab diese Professur besetzen konnten", erklärt JGU-Präsident Prof. Dr. Georg Krausch. "Diese Kooperation unterstreicht das große Renommee und die herausragende Forschungsqualität des Exzellenzclusters PRISMA+ unserer Universität und bestätigt einmal mehr die internationale Positionierung der Mainzer Physikerinnen und Physiker."
"Auch im Namen des Fermilab gratulieren wir Alfons Weber zu seiner Ernennung zum W3-Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz", betont Fermilab-Direktor Prof. Dr. Nigel Lockyer. "Weber ist bekannt für seine führende Rolle im Deep Underground Neutrino Experiment und wird eine Fülle von Wissen und Erfahrung nach Mainz bringen. Wir freuen uns, dass er das DUNE-Forschungsprogramm auch weiterhin in verantwortlicher Position voranbringen wird."
Alfons Weber wird Ende Juni 2021 nach Mainz wechseln: "Ich freue mich sehr auf meine mit dieser Professur verbundenen neuen Aufgaben in Mainz und am Fermilab – die Mitarbeit am Aufbau des DUNE Experiments ist eine vielfältige und spannende Herausforderung. Insbesondere bin ich überzeugt, dass sich aus der Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen, die in Mainz an Neutrinos und an Hochenergiebeschleunigern forschen, Synergien und neue Impulse ergeben werden."
Neutrinos auf ihrer Reise durch die Erde beobachten
Das Fermi National Accelerator Laboratory – kurz Fermilab – ist das nationale Forschungslabor für Teilchen- und Hochenergiephysik der USA. Bei DUNE arbeiten mehr als 1.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als 30 Ländern zusammen. Hier werden künftig Neutrino- und Antineutrinostrahlen 1.300 Kilometer weit durch die Erde geschickt. Unterwegs wandeln sich die drei bekannten Neutrinoarten ständig ineinander um. "Durch das Verständnis dieses Prozesses – wir nennen ihn Neutrinooszillation – wollen wir letztlich herausfinden, ob Neutrinos dafür verantwortlich sind, dass es im Universum so viel mehr Materie als Antimaterie gibt", erläutert Prof. Dr. Alfons Weber. Die Teilchenstrahlen werden am Teilchenbeschleuniger des Fermilab erzeugt und gelangen direkt durch das Erdreich zu den riesigen unterirdischen Detektoren der Sanford Underground Research Facility in South Dakota. Ein Tunnel ist hierfür nicht nötig. Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Ausgrabung von 800.000 Tonnen Gestein. In den so entstehenden riesigen Höhlen werden später Detektoren untergebracht.
Weber richtet seinen Blick dabei vor allem auf die Entwicklung und den Bau des sogenannten DUNE-Near-Detektors am Startpunkt des Neutrinostrahls am Fermilab. "Hier geht es vor allem darum, den Neutrinostrahl zu analysieren, bevor wir ihn auf seine lange Reise schicken", erklärt Prof. Dr. Alfons Weber. "Denn nur wenn wir – bildlich gesprochen – genau wissen, was wir vorne hineinstecken, können wir später Aussagen über das, was hinten ankommt, treffen. Die Analyse am Anfang brauchen wir also, um die späteren Ergebnisse interpretieren zu können."
Konkret haben sich verschiedene Universitäten in Deutschland zusammengetan, um einen Prototypen für eine bestimmte Messapparatur innerhalb des Detektors zu entwickeln und zu bauen: ein elektromagnetisches Kalorimeter, mit dem sich Teilchen wie Photonen, Neutronen oder Elektronen nachweisen lassen. Eine besondere Rolle bei diesem Vorhaben spielt das PRISMA+-Detektorlabor, denn hier ist sehr viel Expertise und hochspezialisiertes Know-how vorhanden – bei der Entwicklung schneller Elektronik ebenso wie beim Bau von Prototypen.
"Die beschleunigerbasierte Neutrinophysik, wie wir sie mit DUNE realisieren wollen, wird in den nächsten Jahren wichtige Ergebnisse liefern und unser Verständnis dieser allgegenwärtigen und doch so geisterhaften Teilchen gründlich erweitern", ist Weber überzeugt. Primär wird er hierzu bei PRISMA+ vor Ort in Mainz forschen, aber auch immer wieder längere Forschungsaufenthalte am Fermilab verbringen.
Alfons Weber, Jahrgang 1965, studierte Physik an der RWTH Aachen und befasste sich bereits in seiner Diplomarbeit im Jahr 1989 mit Neutrinos. Bei seiner anschließenden Promotion am Large Electron-Positron Collider des CERN widmete er sich der Erforschung des W-Bosons, bevor er sich 1999 mit seinem Start an der University of Oxford wieder den Neutrinos zuwandte. Zunächst als Departmental Lecturer und später als Professor war er unter anderem am früheren MINOS-Projekt am Fermilab und dem T2K-Experiment in Japan beteiligt, die sich der Erforschung der Neutrinooszillationen widmen. In Oxford koordinierte und leitete er zudem die britische Beteiligung am geplanten DUNE-Experiment.