Förderung des Forschungsvorhabens in der Kulturanthropologie / Volkskunde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft
16.04.2013
Schamanismus wird gemeinhin als Praxis verstanden, bei der Menschen mit einer Geisterwelt kommunizieren. Er gilt nicht eigentlich als Religion, sondern wird eher als die Auseinandersetzung mit einem Jenseits beschrieben, um heilende Kräfte zu mobilisieren. "Auf jeden Fall aber herrscht ein starker Seelenglauben vor, auch bei unterschiedlichen Ausprägungen des Schamanismus", erklärt Uhlig. Ursprüngliche Verbreitungsgebiete sind Sibirien und Südamerika. Erste Kenntnisse davon kamen verstärkt zum Ende des 17. Jahrhunderts mit Reiseberichten aus Sibirien nach Europa und schon bald rückte die ambivalente Figur des Schamanen ins Bewusstsein der westeuropäischen Bildungsschichten. Die ökologisch-spirituelle Komponente der Schamanenfigur hat der Künstler Joseph Beuys in den 1970er Jahren aufgegriffen und verbreitet."
Wie weit schamanisch geprägte Konzepte heute in Mitteleuropa verbreitet sind oder wie viele Anhänger sie haben, lässt sich laut Uhlig nicht erschöpfend beziffern. Uhlig untersucht in dem DFG-Projekt "Sinnentwürfe in prekären Lebenslagen der Gegenwart: Eine transnationale Ethnographie geistigen Heilens im ländlichen Raum (Eifel)" insbesondere, was die Menschen eigentlich dazu bewegt, einen Schamanen aufzusuchen. Unzufriedenheit mit dem bestehenden Gesundheitssystem und die Suche nach alternativen Heilungsansätzen mögen eine Ursache sein, weshalb sich Menschen dem Schamanismus mit seinen Praktiken wie Schwitzhüttenzeremonie, schamanischer Reise oder Hopi-Herzheilung zuwenden. Sinnsuche oder Sehnsucht nach Spiritualität, gerade auch in kritischen Lebenssituationen, können ebenso Motive sein wie Bemühungen um ein naturverbundenes, ökologisch ausgerichtetes Leben.
Aufgrund der bisher geführten Interviews steht für den Volkskundler fest, dass es sich bei dem modernen Schamanismus um ein vielschichtiges Phänomen handelt, das Klienten aus allen Bildungsschichten anspricht, keineswegs abergläubische Außenseiter. Im Rahmen seiner Dissertation wird Uhlig weitere Interviews mit schamanisch Praktizierenden führen und auswerten. Durch die mikroskopische Analyse versucht das Vorhaben, u.a. einen lebensnahen Beitrag zur kulturwissenschaftlichen Deutung von Spiritualität zu liefern und auf diesem Wege einen Beitrag zur Erforschung individueller Gegenwartsreligiosität zu leisten.