Messergebnisse bestätigen Verständnis über starke Kernkraft im Innern der Atome
06.05.2015
Mit einer Präzisionsmessung am Forschungszentrum CERN in der Schweiz haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Kraft erhalten, die unsere Materie zusammenhält. Das Pion, das im Innern der Atomkerne für die starke Wechselwirkung zwischen den Teilchen verantwortlich ist, erweist sich demnach als ein wenig verformbares, relativ starres Objekt. Die Messergebnisse bestätigen zum einen die Erwartungen der theoretischen Physiker und widerlegen zum anderen ältere Messungen, die in beständigem Widerspruch zur Theorie gestanden hatten. Am COMPASS-Experiment, das die zuverlässigen Daten geliefert hat, sind auch Physikerinnen und Physiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) beteiligt.
Pionen, bestehend aus einem Quark und einem Antiquark, sind die Träger der starken Wechselwirkung. Sie tragen maßgeblich zum Zusammenhalt von Protonen und Neutronen in Atomkernen bei. "Die physikalische Theorie sagt voraus, dass das Pion ein recht starres Objekt sein muss", erklärt Prof. Dr. Eva-Maria Kabuß vom Institut für Kernphysik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz den Stand der Forschung. Die Verformbarkeit oder Polarisierbarkeit von Pionen ist ein direktes Maß für die starke Kernkraft, das heißt je stärker die Verformbarkeit, desto schwächer die Kraft. Ganz im Gegensatz zu den theoretischen Erwartungen hatten allerdings die ersten Experimente zu Beginn der 1980er Jahre ein Pion gezeichnet, das sich, so ähnlich wie ein Luftballon, viel stärker modulieren lässt.
"Solche Experimente sind nicht einfach durchzuführen", beschreibt Kabuß die Ausgangslage. Das Pion ist mit einem Durchmesser von einem Femtometer so klein wie ein Proton. "Wenn man daran wackeln möchte, um zu sehen, ob es sich verformt, ist das äußerst schwierig." Die Kernphysikerin von der JGU ist zusammen mit ihren Kollegen, Prof. Dr. Michael Ostrick, Prof. Dr. Josef Pochodzalla und Prof. em. Dr. Dietrich von Harrach, am COMPASS-Experiment beteiligt. Dieses Experiment hat nun zum ersten Mal zuverlässige Daten geliefert, wonach das Pion im Einklang mit der Theorie in einem elektrischen Feld gegen Verformung relativ starr und steif ist. "Das bestätigt unser Verständnis der Kernkraft und passt damit ins Standardmodell der Physik", so Kabuß.
Bei dem Experiment am CERN haben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von mehr als 30 Instituten aus über zehn Ländern mit einem hochenergetischen Pionenstrahl auf ein Ziel aus Nickel geschossen. "Normalerweise würden freie Pionen sofort zerfallen, aber bei sehr hohen Energien erreichen sie Lichtgeschwindigkeit und können mehrere hundert Meter zurücklegen, ehe sie zerfallen", erklärt Kabuß. Die Pionen streifen am Nickelkern vorbei und werden von seinem starken elektromagnetischen Feld verformt und abgelenkt, wobei sie ein Lichtteilchen aussenden. "Der Kern hat an dem Pion gewackelt, das Teilchen vibriert und verformt sich leicht und es entstehen hochenergetische Photonen." Die Ablenkung und die Energie dieser Photonen, also der Lichtteilchen, werden dann im Detektor gemessen.
Die Mainzer Gruppe am COMPASS-Experiment, das 2002 eingerichtet wurde, befasst sich vor allem mit zwei Aufgaben: Sie stellt sicher, dass es sich bei den Strahlteilchen tatsächlich um Pionen handelt, indem das einlaufende Teilchen in einem Tscherenkow-Detektor identifiziert wird. "Und wir müssen aus dem Heuhaufen der Ergebnisse die interessanten heraussuchen, indem die Wechselwirkung des Pions in einem elektrischen Feld gemessen wird." Die in der Fachzeitschrift Physical Review Letters publizierten Daten der COMPASS-Kollaboration stammen aus Messungen des Jahres 2009. Weitere Erkenntnisse werden aus einer zweiten Messung des Jahres 2012 erwartet.