Europäische Kommission fördert Verbundprojekt zur Erforschung chronischer Schmerzen

Forschungsnetzwerk mit Mainzer Beteiligung untersucht komplexe Schmerzerkrankungen

10.10.2013

Nervenschädigungen, Traumata oder Operationen können chronische Schmerzen nach sich ziehen. Laut der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes ist jeder fünfte Deutsche von chronischen Schmerzen betroffen. Mit dem Ziel, die molekulargenetischen Mechanismen zu verstehen, die bei chronischen Schmerzen eine tragende Rolle spielen, stellt die Europäische Kommission sechs Millionen Euro für ein neues europäisches Forschungsprojekt zur Verfügung. Auf Basis neuer Forschungserkenntnisse lassen sich potenziell neue Medikamente zur Prophylaxe und Linderung chronischer Schmerzen entwickeln. An diesem Verbundforschungsprojekt sind auch Wissenschaftler der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) um Prof. Dr. Frank Birklein von der Klinik und Poliklinik für Neurologie beteiligt.

Das Hauptaugenmerk des Forschungsprojekts "Non-coding RNAs in neurogenic and neuropathic pain mechanisms and their application for risk assessment, patient stratification and personalised pain medicine", kurz "ncRNAPain", liegt auf den sog. nicht kodierenden Ribonukleinsäuren, den ncRNAs. Vorangegangene Studien legen nahe, dass ncRNAs als Regulatoren der Eiweißsynthese eine wichtige Funktion bei der Entstehung komplexer Erkrankungen haben. Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, spezifische ncRNAs zu identifizieren und im Detail zu erforschen, welchen Einfluss sie auf molekulargenetischer Ebene auf die individuelle Schmerzverarbeitung haben. Im Idealfall lässt sich auf Grundlage neuer Forschungserkenntnisse die Diagnostik so verbessern, dass bei Risikogruppen gezielte Präventionsstrategien einerseits und verbesserte Therapien andererseits entwickelt werden können.

"In diesem neuen Forschungsnetzwerk sind wir komplexen Schmerzerkrankungen auf der Spur. Es gilt herauszufinden, warum bei manchen Patienten chronischer Schmerz entsteht, während andere beispielsweise nach einer Fraktur schmerzfrei werden. Wir wollen verstehen, was die Voraussetzungen dafür sind, warum sich Schmerz ausbreitet und wie er sich letztlich lindern lässt. Der in diesem Projekt gewählte Ansatz ist dabei in diesem Forschungsbereich bislang einmalig. Konkret leiten sich unsere Laboraktivitäten aus unseren Beobachtungen am Patienten ab. Die im Labor gewonnenen Erkenntnisse können in Zukunft in neue Therapien einfließen", erklärt Prof. Dr. Frank Birklein von der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz, der mit seinem Team Teil des Forschungsnetzwerks ist. Der von Birklein beschriebene zweistufige Ansatz lässt sich am besten beschreiben, als "from bedside to bench" im ersten und "from bench to bedside" im zweiten Schritt. Die neurologische Untersuchung der Patienten erfolgt in den Kliniken für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz und der Universitätsklinik Würzburg und ihren Partnern. "Unser Hauptinteresse richtet sich bei unseren Untersuchungen auf Patienten mit diabetischer Polyneuropathie, einer Gruppe von Erkrankungen, die die peripheren Nerven betreffen und die von Schmerzen begleitet sind, sowie komplex-regionalem Schmerzsyndrom", so Birklein.

Das interdisziplinäre Forschungsnetzwerk "ncRNAPain" wird von Prof. Dr. Michaela Kress von der Universitätsklinik Innsbruck, Österreich, koordiniert. An "ncRNAPain" sind darüber hinaus Wissenschaftler aus Tschechien, Dänemark, Frankreich, Israel, Italien und Großbritannien beteiligt. Aus Deutschland sind neben den Mainzer Forschern auch Wissenschaftler aus Würzburg, Heidelberg und Saarbrücken vertreten. Die Laufzeit der Förderung beträgt vier Jahre.

"Vor dem Hintergrund, dass die Behandlung von Schmerzpatienten die europäischen Gesundheitssysteme mit bis zu drei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukt belasten, ist patientenorientierte Grundlagenforschung auf diesem Forschungsfeld immens wichtig. Als Universitätsmedizin Mainz sind wir stolz darauf, dass sich unsere Wissenschaftler mit ihrer Kompetenz in dieses europäische Forschungsnetzwerk einbringen", unterstreicht der Wissenschaftliche Vorstand, Prof. Dr. Ulrich Förstermann.