Erhöhter Zuckerstoffwechsel in Tumoren lähmt Immunsystem

Neue Forschungserkenntnisse liefern Ansatz für neuartige Krebstherapien durch Manipulation von Stoffwechsel und Immunabwehr

19.12.2016

Der erhöhte Zuckerstoffwechsel in Tumoren ist mit dafür verantwortlich, dass das menschliche Immunsystem Tumorzellen nicht wirksam abtöten kann. Das ist das Ergebnis einer Studie unter Federführung Regensburger Wissenschaftler, an der Forscher der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz prominent beteiligt sind. In den Zuckerstoffwechsel von Tumoren gezielt einzugreifen, könnte daher ein viel versprechender neuer immuntherapeutischer Ansatz im Kampf gegen Krebs sein, berichten die Wissenschaftler in der renommierten Fachzeitschrift Cell Metabolism.

Anders als die klassischen Behandlungsmethoden bei Krebs – Operation, Chemotherapie und Bestrahlung – nutzt die Krebsimmuntherapie das Immunsystem zur Bekämpfung von Krebserkrankungen. Dabei ist bekannt, dass sich das menschliche Immunsystem zwar sehr wohl mit einem Tumor auseinandersetzt. Dies reicht in der Regel aber nicht aus, um den Tumor zu kontrollieren. Konkret bekämpft die Immunabwehr des Menschen Krebszellen vor allem durch bestimmte Zellen, die sogenannten zelltoxischen T-Lymphozyten (T-Zellen) und die Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen). Diese Abwehrzellen können die Tumorzellen zwar meist erkennen, jedoch nicht wirksam genug abtöten. Warum dies so ist fanden jetzt Wissenschaftler des Instituts für Pathophysiologie der Universitätsmedizin Mainz und des Universitätsklinikums Regensburg in Zusammenarbeit mit weiteren nationalen und internationalen Partnern heraus.

Das Ergebnis: Es sind die Besonderheiten des Tumorstoffwechsels, die die krebszerstörende Wirkung der Immunzellen häufig stark einschränken. Konkret zeigen die Ergebnisse an einem Hautkrebs-Modell, dass der erhöhte Zucker(Glucose)-Stoffwechsel dafür verantwortlich ist: Im Zuge dieses Stoffwechsels wird durch das Enzym LDHA (Laktatdehydrogenase A) vermehrt Milchsäure in den Krebszellen gebildet. Dies schwächt die Tumorbekämpfung durch das körpereigene Immunsystem stark ab. In der Folge kann der Tumor vermehrt und ungebremst wachsen. Im Detail übt die Milchsäure eine hemmende Wirkung auf den NFAT (nukleärer Faktor aktivierter T Zellen) aus, was wiederum die Produktion von zelltoxischem INFg (Interferon-gamma) vermindert. Wurde im Modell die Milchsäurebildung "gedrosselt", konnte das Immunsystem den Tumor wesentlich besser in Schach halten. "Durch diese Versuche konnten wir zeigen, dass der Glucosestoffwechsel und die ausbleibende Immunreaktion ursächlich zusammenhängen", erläutert der Leiter der Mainzer Arbeitsgruppe, Prof. Dr. Wolfgang Müller-Klieser. "Zudem unterstreichen begleitende Untersuchungen an Gewebeproben von Melanom-Patienten die klinische Relevanz der Befunde." Mit ihren Untersuchungen zum Tumorstoffwechsel lieferte die Mainzer Arbeitsgruppe einen wesentlichen Beitrag zu der vorliegenden Veröffentlichung. Dies wurde unter anderem durch die Ko-Autorenschaft von Prof. Müller-Klieser an prominenter Position sichtbar gemacht.

"Es handelt sich bei der aktuellen Arbeit um einen vielversprechenden Forschungsansatz an der Schnittstelle zwischen präklinischer Forschung und klinischer Entwicklung – und damit um ein Paradebeispiel für die konsequent translationale Ausrichtung unseres Forschungsprofils", betont der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Ulrich Förstermann.