Energie aus der Tiefe: Verbundprojekt erforscht temperaturbedingte Gesteinsveränderungen in geothermischen Reservoirs

Nutzung von Erdwärme für Energiewende von großer Bedeutung / Bundeswirtschaftsministerium fördert Forschungen über kleinskalige Prozesse im Untergrundgestein bei der tiefen Geothermie

12.05.2025

Geothermie kann in Deutschland einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten und die Abkehr von fossiler hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung unterstützen. Wichtig für die gesellschaftliche Akzeptanz ist allerdings, die Risiken wie beispielsweise Erdbeben zu minimieren. Welchen Einfluss dabei Veränderungen in tiefen geothermischen Reservoirs haben, die durch den Kontakt zwischen heißem Gestein und kaltem Wasser entstehen, untersucht ein neues Forschungsprojekt unter Leitung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). "Wir wollen verstehen, welchen Einfluss die thermisch induzierte Rissbildung auf Gesteinseigenschaften wie etwa Permeabilität und Festigkeit hat, was wiederum einen Einfluss auf die Menge des förderbaren Thermalwassers oder auf die Seismizität haben könnte – auch wenn wir diese kleinen Beben meist gar nicht wahrnehmen", erklärt Prof. Dr. Miriam Christina Reiss von der JGU. Reiss ist Verbundkoordinatorin des Projekts "Durch thermisch induzierte Spannungsänderungen verursachte Bildung von Brüchen und Änderungen der Permeabilität in geothermischen Reservoirs", kurz TRIGGER, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird und am 1. April 2025 seine Arbeit aufgenommen hat.

Seitens JGU sind neben der Gruppe Vulkanseismologie von Prof. Dr. Miriam Christina Reiss auch die Arbeitsgruppen Tektonik und Strukturgeologie von Prof. Dr. Virginia Toy, Geodynamik von Prof. Dr. Boris Kaus und Metamorphe Prozesse von Prof. Dr. Evangelos Moulas beteiligt. Verbundpartner sind außerdem das Institut für geothermisches Ressourcenmanagement im Institut für Innovation, Transfer und Beratung gGmbH in Bingen, die Ruhr-Universität Bochum und die Microstructure and Pores GmbH in Aachen. Von den Fördermitteln des Bundes in Höhe von rund zwei Millionen Euro geht etwa eine Million Euro an die Gruppen der JGU. Sie werden insbesondere zur Erforschung der mikrostrukturellen und mikrochemischen Zusammensetzung der Proben und zur Analyse ihrer Deformation beitragen sowie die Fluidfluss- und Bruchprozesse numerisch modellieren.

Grundlegende Prozesse verstehen und Möglichkeiten für effizientere Nutzung ausloten

Bei der sogenannten tiefen Geothermie werden natürliche Thermalwasserreservoire in über 1.500 Meter Tiefe für die Strom- oder Wärmegewinnung erschlossen. Die Temperatur steigt im Mittel nämlich Richtung Erdinneres durchschnittlich um etwa drei Grad pro 100 Meter an. Zur Nutzung der Erdwärme wird dem Untergrund heißes Wasser entzogen. Das nach der Wärmenutzung abgekühlte Wasser wird dem Untergrund anschließend wieder zugeführt. Die Temperaturdifferenz wird für die Energiegewinnung genutzt. Im Oberrheingraben beträgt der Wärmegradient sogar eher fünf Grad pro 100 Meter, die geothermisch nutzbaren Schichten liegen in einer Tiefe von drei bis fünf Kilometer – sind also im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit noch gut erreichbar und können hohe Wärmemengen liefern. "Vor allem wegen der Nähe zum Oberrheingraben spielt die Geothermie in Rheinland-Pfalz eine wichtige Rolle", erklärt Reiss. Im Oberrheingraben liegen die Injektionstemperaturen des zugeführten Wassers derzeit typischerweise bei 70 Grad Celsius – eine weitere Absenkung könnte jedoch zu einem höheren Wärmeertrag und größerer Produktivität beitragen. Daraus resultierende Effekte auf die Gesteine im Untergrund sollen untersucht werden.

Laborversuche werden in Computermodellen nachgestellt

Durch den Kontakt zwischen kaltem Wasser und deutlich wärmerem Gestein können Rissbildungen und Veränderungen in der Porosität oder Permeabilität des Gesteins erfolgen, was Auswirkungen bezüglich der zu erwartenden Seismizität zur Folge haben kann. Denn die kleinskaligen Prozesse verursachen lokale Veränderungen der Gesteinseigenschaften, die wiederum Auswirkungen auf das großskalige Reservoirverhalten zeigen. Wie es sich mit diesen kleinskaligen Prozessen im Untergrund genau verhält, soll im Verbundprojekt TRIGGER erforscht werden. "Wir werden dazu im Labor Proben von Bohrkernen aus bis zu drei Kilometer Tiefe untersuchen. Wir analysieren dabei die thermischen, mechanischen, strukturellen und chemischen Eigenschaften", erklärt Reiss. Um die ablaufenden Prozesse nachzustellen und besser zu verstehen, wird das Gestein unter anderem deformiert, es wird kaltes Wasser in erhitzte Gesteinsproben eingeleitet und mithilfe von Sensoren festgestellt, ob und wie das Material bricht.

Zudem werden die Laborversuche in Computermodellen nachgestellt, um ein tieferes Verständnis der ablaufenden Prozesse für einen weiten Bereich von Gesteinseigenschaften und Temperaturen zu gewinnen. "Im Labor können wir Untersuchungen vornehmen, die im Feld so nicht möglich sind", erklärt die Geophysikerin. "Mit dieser Forschung wollen wir zum einen die Prozesse besser verstehen, zum anderen aber auch die Möglichkeiten für eine effizientere Nutzung ausloten." Ein Ziel des Verbundprojekts ist es daher, die langfristigen Auswirkungen von Temperaturänderungen von mindestens 100 Grad auf die Rissbildung und die Wechselwirkungen zwischen eingeleiteter Flüssigkeit und Gestein zu bestimmen.

Damit sollen die Forschungen auch dazu beitragen, das Risiko von induzierter Seismizität – also der menschenverursachten Erdbebenaktivität – genauer zu analysieren. "Die Bevölkerung steht der Geothermie heute viel aufgeschlossener gegenüber als früher. Wir wollen dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die Abläufe zu gewinnen und die Risiken bei der Nutzung der Erdwärme zu verringern", so Reiss. Das Geothermiekraftwerk bei Insheim in der Vorderpfalz ist seit über zehn Jahren in Betrieb und liefert grünen Strom. Weitere Geothermieprojekte zur Wärmeversorgung sind in Rheinland-Pfalz in Planung, so zum Beispiel in Speyer und Wörth am Rhein.

Unterirdische Strukturen besser verstehen

Miriam Christina Reiss ist seit August 2023 Juniorprofessorin für Vulkanseismologie an der JGU. Durch ihr Studium des Gymnasiallehramts für Englisch und Physik ist Reiss über einen Auslandsaufenthalt in Neuseeland zur Geophysik gekommen. Sie hat 2017 an der Goethe-Universität Frankfurt im Bereich Seismologie/Geowissenschaften promoviert und war danach als Postdoc an der Yale University sowie mit ihrem eigenen DFG-Projekt an der Goethe-Universität tätig. Mit ihren Forschungen will Prof. Dr. Miriam Christina Reiss dazu beitragen, Vulkane und ihre unterirdischen Strukturen besser zu verstehen. Mit den Forschungen zur Geothermie will die Wissenschaftlerin die Rahmenbedingungen für diese Art der Energiegewinnung und insbesondere das Erdbebenrisiko besser abschätzen.