Mainzer Forscher untersuchen Auswirkungen wiederholter Beschallung durch Fluglärm auf Gefäße
22.07.2015
Simulierter Nachtfluglärm kann die Gefäßfunktion von gesunden Studienteilnehmern, insbesondere aber auch von herzkranken Patienten deutlich verschlechtern. Das ist das Ergebnis einer Lärmwirkungsstudie (FluG-Risiko) der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) aus dem Jahr 2014. Ein Forscherteam um den Kardiologen Dr. Frank Schmidt will jetzt in einer weiteren Studie der These nachgehen, dass sich Blutgefäße nicht an Lärm gewöhnen. Vielmehr deuten verschiedene Befunde darauf hin, dass die Gefäße gegenüber Schädigungen durch Lärm bei wiederholter Beschallung eher noch empfindlicher reagieren. Die Deutsche Herzstiftung e.V. fördert die Studie über einen Zeitraum von 18 Monaten mit 55.000 Euro.
Die Erkenntnis, dass Fluglärm krank macht, ist nicht neu. Es ließ sich bereits zeigen, dass insbesondere Nachtfluglärm zu einem Mehr an Herzkreislauferkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Bluthochdruck führt. Vorangegangene Studien konnten mittels statischer Analysen belegen, dass insbesondere bei den Probanden, die schon einmal Nachtfluglärmereignissen ausgesetzt waren – simuliert wurden einmal 30 und einmal 60 Überflüge pro Nacht –, die Verschlechterung der Gefäßfunktion bei der zweiten Exposition signifikant stärker ausfiel. "Dies deutet darauf hin, dass sich die Gefäße nicht an den Lärm gewöhnen. Vielmehr liegt der Verdacht nah, dass sie bei wiederholter Beschallung gegenüber Schädigungen durch Lärm noch empfindlicher werden. Dieser Verdacht muss allerdings noch in speziell auf diese Fragestellung ausgelegten Studien bestätigt werden", erklärt der Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Thomas Münzel. Die neue Lärmwirkungsstudie unter der Leitung von Dr. Frank Schmidt aus der Forschungsgruppe der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik zielt deshalb darauf ab, den Nachweis zu erbringen, dass Gefäße bei wiederholter Lärmexposition sensibilisiert werden. Einen Antrag zur Förderung des Projektes hatte die Deutsche Herzstiftung genehmigt.
In der Studie mit dem Studientitel "FluG PrimeLevel" überprüfen Schmidt und sein Team diesen im Englischen auch als "Priming" bezeichneten Sensibilisierungseffekt. Mit dem Projekt versucht der Kardiologe außerdem, die Wirkung von Lärm mit unterschiedlicher Lautstärke besser zu verstehen. "Die biologische Wirkung von Lärm hängt von einer Vielzahl von unterschiedlichen Faktoren ab. Im Lärmschutz wird dagegen zur Vereinfachung der Lärm über verschiedene Formeln auf einen mittleren Lärmpegel umgerechnet. Die Folge ist, dass sich bei gleichem mittlerem Lärmpegel erhebliche Unterschiede in der Lärmverteilung und auch in der subjektiven Wirkung auf den Menschen ergeben", bemerkt Studienleiter Schmidt. "Inwiefern sich diese unterschiedlichen Lärmmuster auf das Herzkreislaufsystem auswirken, ist unbekannt, aber von großer Bedeutung für Prävention und Gesetzgebung. Neben der Gefäßfunktion wollen wir auch insbesondere Blutdruckwerte und Herzrhythmus auswerten." Zusätzlich erfassen Schmidt und seine Forscherkollegen die Auswirkung von Lärm auf das vegetative Nervensystem und untersuchen die Gefäße und Blutwerte. Darüber hinaus ist eine Analyse geplant, ob und inwieweit sich nicht nur Änderungen an den Gefäßen zeigen, sondern auch die Funktion des Herzens direkt durch den Lärm beeinflusst wird. Die aktuelle Studie wird gleichzeitig sowohl Patienten als auch gesunde Probanden einschließen und diese in heimischer Umgebung simuliertem nächtlichem Lärm aussetzen. "Nach den 'Lärmnächten' erfolgen dann verschiedene Messungen im Studienzentrum an der Universitätsmedizin Mainz", so Schmidt, der für eine vorangegangene Forschungsarbeit mit dem Robert Müller Forschungspreis 2014 ausgezeichnet wurde.
"Mit der Förderung eines neuen Projekts in Mainz zeigt die Deutsche Herzstiftung in welcher Breite sie die Forschung rund um das Herz fördert um neue Ansätze zur Verbesserung der Herzgesundheit zu finden", betont Prof. Dr. Thomas Münzel. "Wir Mainzer Forscher sind sehr dankbar für die Förderung, da für solche Projekte – trotz der Bedeutung für den Bevölkerungsschutz – vergleichsweise wenige Forschungsgelder bereitgestellt werden."