Graduiertenkolleg 3064 "Techniken des Bezeugens" erforscht, wie sich Zeugenschaft als mediale und kulturelle Praxis im 21. Jahrhundert verändert
16.06.2025
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zum 1. April 2026 ein neues Graduiertenkolleg (GRK) mit dem Titel "Techniken des Bezeugens. Zeugenschaft als mediale und kulturelle Praxis" an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ein. Das interdisziplinäre Kolleg untersucht, wie sich Zeugenschaft im Kontext digital vernetzter Medienumgebungen sowie aktueller kultureller und künstlerischer Diskurse verändert, und fragt zugleich nach den Folgen, die sich daraus für Kulturen der Gegenwart ergeben. Das neue Graduiertenkolleg bietet 20 Doktorandinnen und Doktoranden sowie einer Postdoktorandin bzw. einem Postdoktoranden vom 1. April 2026 bis 31. März 2031 ein strukturiertes und interdisziplinäres Forschungs- und Studienprogramm, in dem sich zugleich Freiräume zur Entfaltung individueller Forschungsprofile eröffnen. Die DFG fördert das Graduiertenkolleg zunächst für fünf Jahre mit rund 6,3 Millionen Euro. Die JGU beteiligt sich mit weiteren 550.000 Euro.
"Ich freue mich über diesen Erfolg und gratuliere allen beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern", so der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Clemens Hoch. "Die Einwerbung eines neuen Graduiertenkollegs ist ein hervorragender Ausweis der Forschungsstärke und der Nachwuchsausbildung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gerade auch in den Kultur- und Geisteswissenschaften. Das neue Graduiertenkolleg wird das Forschungsprofil der Volluniversität Mainz weiter stärken."
Wie sich Zeugenschaft als mediale und kulturelle Praxis im 21. Jahrhundert verändert
"Ob es sich um Zeug*innenvideos in sozialen Medien, Zeitzeug*innen-Hologramme, Tribunale im Theater oder forensische Investigationen und nicht-menschliche Zeugen in der Bildenden Kunst handelt – derartige Phänomene verweisen auf einen grundlegenden Wandel der Zeugenschaft. Sie stehen stellvertretend für einen dynamischen und vielfältigen Forschungsgegenstand, der neue Perspektiven in den Medien-, Kultur- und Kunstwissenschaften erfordert", erklärt der Sprecher des GRK, Prof. Dr. Chris Tedjasukmana, Professor für Alltagsmedien und Digitale Kulturen am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der JGU. "Darüber hinaus möchten wir die soziale Relevanz des Themas betonen. Trägt das Wissen über Techniken des Bezeugens doch auch zu einer reflexiven Klärung jener Praktiken bei, die entscheidend für die Aufarbeitung von Unrechtsfällen, systematischen Menschenrechtsverletzungen und traumatischen Geschichtsereignissen sind."
Aus dieser Perspektive setzt sich das GRK mit der Fragestellung auseinander, wie sich Zeugenschaft als mediale und kulturelle Praxis im 21. Jahrhundert verändert, welche spezifischen Techniken des Bezeugens sich derzeit herausbilden, inwiefern diese Techniken bestehende Verständnisse von Zeugenschaft herausfordern und welche Einflüsse diese Entwicklungen auf die Kulturen der Gegenwart haben. Das Ziel des Forschungsprogramms besteht darin, die auf der empirischen Ebene der Phänomene zu beobachtende Vielzahl an sich verändernden medialen, kulturellen und künstlerischen Praktiken der Zeugenschaft sowohl in übergreifenden Problemstellungen als auch in vertiefenden Einzelprojekten zu fassen. Ein solcher Klärungsprozess erfolgt in drei Arbeitsbereichen, die sich drei wesentlichen Transformationen der Zeugenschaft widmen: erstens den neuen Formationen und Konstellationen des Wissens, zweitens den komplexer werdenden Prozessen und Anordnungen sowie drittens den sich wandelnden Beziehungen zwischen Mensch und Maschine.
Fachperspektiven im interdisziplinären Austausch
Um den facettenreichen Gegenstand und die mehrschichtige Fragestellung hinreichend zu untersuchen, versammelt das Graduiertenkolleg vielfältige Expertisen aus den Fächern Medienwissenschaft, Filmwissenschaft, Theaterwissenschaft, Kunstwissenschaft, Kulturanthropologie und Ethnologie. Diese Zusammensetzung garantiert die Interdisziplinarität des GRK und damit einen Austausch und die Komplementarität unterschiedlicher Fachperspektiven mit einem zugleich klaren gemeinsamen Fokus auf mediale, kulturelle und künstlerische Praktiken des Bezeugens. Den Kollegiatinnen und Kollegiaten ermöglicht das Kolleg, disziplinär spezifische Projekte zu entwickeln, die sich zugleich an das übergreifende Schwerpunktthema des Kollegs rückbinden lassen.
"Das Profil des Graduiertenkollegs zeichnet sich durch einen innovativen Zugang zum dynamischen Forschungsgegenstand gegenwärtiger Zeugenschaftspraktiken aus, die sich vor dem Hintergrund digital vernetzter Medienumgebungen sowie kultureller und künstlerischer Diskurse grundlegend verändern", resümiert Tedjasukmana. "So nimmt das GRK eine wissenschaftliche Neuorientierung vor, indem die Techniken des Bezeugens, also insbesondere Wissenskonstellationen, Prozesse und Mensch-Maschine-Relationen in den Mittelpunkt gerückt werden."
Graduiertenkollegs sind Einrichtungen der Hochschulen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für maximal neun Jahre gefördert werden. Doktorandinnen und Doktoranden arbeiten hier im Rahmen eines thematisch fokussierten Forschungsprogramms sowie eines strukturierten Qualifizierungskonzepts. Damit sollen sie auf eine Tätigkeit in der Wissenschaft vorbereitet und in ihrer wissenschaftlichen Selbstständigkeit unterstützt werden.