Bundesweit einmaliges Kooperationsprojekt zur frühzeitigen Diagnose von Demenz

Integrierte Versorgung optimiert Vernetzung von Klinik und Hausärzten

24.05.2006

Die Gedächtnisambulanz des Universitätsklinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und die Krankenkasse BARMER haben mit Hausärzten und neurologisch-psychiatrischen Fachärzten einen Vertrag zur sogenannten Integrierten Versorgung (IV) abgeschlossen. Ziel ist eine verbesserte Frühdiagnostik und Frühversorgung von Demenzpatienten durch die optimierte Vernetzung von Klinik und niedergelassenen Ärzten. Es ist das erste Projekt dieser Art bundesweit. Deutliche Verbesserungen von Selbstständigkeit und Lebensqualität durch frühe Diagnose und Behandlung der Demenz sind dabei die wesentlichen Vorteile – für Patienten und Angehörige.

In Deutschland sind über eine Million Menschen an einer Demenz erkrankt. Hauptrisikofaktor ist das Alter. Da es immer mehr alte Menschen gibt, wird auch die Zahl der Demenzpatienten in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich erheblich zunehmen und damit eine zentrale Herausforderung unserer Gesellschaft und des Gesundheitswesens darstellen.

Die Demenz-Erkrankung bedeutet einen schwerwiegenden Einschnitt sowohl in das Leben des Betroffenen als auch in das seiner Familie. Für die Alzheimer-Erkrankung, der mit Abstand häufigsten Demenzursache, gibt es bis heute keine Behandlung, mit der die krankhaften Veränderungen im Gehirn gestoppt werden können. Zudem wird die Diagnose oft zu spät gestellt. Hier gibt es Nachholbedarf, denn eine möglichst frühe Diagnose mit entsprechender Therapie ist enorm wichtig. So lässt sich etwa die Selbstständigkeit der Patienten deutlich länger erhalten, Patienten und Angehörige haben dadurch eine anhaltend bessere Lebensqualität. Die Integrierte Versorgung zielt darauf ab, durch fachgerechte Anwendung von Standardverfahren eine Demenz möglichst früh zu erkennen und den Patienten sowie seine Angehörigen kompetent zu beraten und zu behandeln.

Konkret passiert dabei Folgendes: Kommt ein Patient mit dem Verdacht einer Demenz zu einem Vertragsarzt der Integrierten Versorgung, so überweist ihn dieser unmittelbar an die Gedächtnisambulanz der Psychiatrischen Universitätsklinik. Unter Leitung von Oberarzt Dr. Andreas Fellgiebel arbeitet hier ein interdisziplinäres Team aus psychiatrischen und neurologischen Fachärzten, speziell geschulten Psychologen und Neuroradiologen eng zusammen, um eine hochqualifizierte Frühdiagnostik zu ermöglichen. Nach Abklärung der Diagnose empfehlen die Ärzte der Gedächtnisambulanz dem Hausarzt eine geeignete Therapie. Die zentrale Rolle des Hausarztes bei der medizinischen Versorgung bleibt so erhalten. Neben der Eingangsdiagnostik werden den Patienten im Rahmen der Integrierten Versorgung auch Verlaufsuntersuchungen angeboten. Ein besonderes Plus: Ein Fallmanager der Gedächtnisambulanz koordiniert den gesamten Ablauf und ist dauerhafter Ansprechpartner für Patient, Angehörige und Hausarzt.

"Mit dem Modellprojekt ist eine wissenschaftliche Studie verbunden, die Aussagen über die medizinische Versorgungsqualität der IV-Patienten im Behandlungsverlauf ermöglichen soll", so Fellgiebel. "Die Belastung und Lebensqualität der betreuenden Angehörigen spielen dabei ebenfalls eine zentrale Rolle. Zudem werden innerhalb des Netzwerks regelmäßige Qualitätszirkel und Fortbildungen für die Beteiligten durchgeführt, um eine Versorgung auf hohem Niveau zu gewährleisten."

"Diagnostik, Kuration und Pflege werden durch diese Kooperation hervorragend vernetzt, um mehr Qualität für die Betroffenen, mehr Effektivität für das Fachpersonal, Hilfe für die Angehörigen und stabile, kalkulierbare Kosten zu erzielen", unterstreicht BARMER-Landesgeschäftsführer Friedhelm Ochs.

Sowohl Demenz-Patienten als auch ihre Angehörige können enorm von einer optimierten Versorgung profitieren. Ein großes Problem ist zum Beispiel die Belastung der betreuenden und pflegenden Angehörigen: Schon in frühen Stadien der Erkrankung führt sie dazu, dass bis zu 60 Prozent von ihnen eine behandlungsbedürftige Depression entwickeln. Im Netzwerk der Integrierten Versorgung sollen die Angehörigen von Anfang an durch kompetente Beratung und Schulung entlastet werden. So ist zudem weniger wahrscheinlich, dass die Familie unter der Last der Erkrankung zerbricht und der Patient in einem Heim untergebracht werden muss. Auch stationäre Behandlungen lassen sich so verkürzen oder gar vermeiden. Schließlich fallen unnötige Doppeluntersuchungen weg.

"Aus Sicht der Alzheimer-Initiative ist es zum Wohle der Demenzpatienten unverzichtbar und längst überfällig, dass der Hausarzt im Rahmen der Vernetzung in puncto Frühdiagnostik und Frühversorgung eine aktive Rolle übernimmt und dadurch eine bessere Chance besteht, den betroffenen Familien die notwendigen Hilfestellungen rechtzeitig zukommen zu lassen", betont Ute Halman, Vorsitzende der Alzheimer-Initiative Mainz.