Innovative Therapieoptionen für Darmkrebs im Fokus
13.01.2014
Mehr als 500 Proteinkinasen, meist sog. Tyrosinkinasen, sorgen in Körperzellen als Schalter für die Übertragung von Wachstumssignalen. Fehlregulationen dieser Schlüsselenzyme sind für viele Krebserkrankungen verantwortlich und führen auch zur Neuanlage von Blutgefäßen oder Angiogenese, zu Tumorzellwachstum und Metastasierung. Um einen Weg für neue wirkungsvolle Therapieoptionen bei Patienten mit Darmkrebs zu ebnen, entwickeln Prof. Dr. Markus Möhler von der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz und Prof. Dr. Gerd Dannhardt vom Institut für Pharmazie und Biochemie – Therapeutische Lebenswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hocheffektive Tyrosinkinase- und Angiogenese-Hemmer auf Basis der von ihnen erforschten Wirkstoffklasse der Moguntinone. Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekts ist es, die Wirkstoffklasse Moguntinone (Aryl-heteroaryl-maleinimide) bis zur Erprobung in einer klinischen Phase I zu führen.
Gelingt es, tumorassoziierte Tyrosinkinasen potent und selektiv zu hemmen, so lässt sich auf dieser Basis das Tumorwachstum stoppen, die Bildung von Metastasen eindämmen und verhindern, dass Tumorzellen eine Resistenz gegen den programmierten Zelltod, die Apoptose, entwickeln. Tyrosinkinasen stellen somit attraktive Ziele zur Entwicklung neuer Wirkstoffe im Kampf gegen den Krebs dar. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben allerdings zahlreiche von der Pharmaindustrie entwickelte Tyrosinkinase-Hemmer, die vor allem in Kombination mit Chemotherapeutika verabreicht werden, höhere Nebenwirkungen gezeigt oder versagt.
Vor diesem Hintergrund wurde seit 1999 auf Basis von drei Naturstoffen die neue Wirkstoffklasse der Moguntinone am Institut für Pharmazie und Biochemie der JGU in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Gerd Dannhardt entwickelt. "Unser Ziel war es, neue hocheffiziente Tyrosinkinase- und Angiogenese-Hemmer zu entwickeln. Das ist uns mit Substanzen aus der Moguntinonklasse gelungen. Bei diesen Moguntinonen ist das Wirkspektrum gegenüber bisher bekannten Substanzen signifikant erweitert. Das Risiko von Resistenzentwicklungen kann damit verringert werden", betont Prof. Dr. Gerd Dannhardt. Untersuchungen zur pharmakologischen Charakterisierung der Wirkstoffe führt das Institut für Pharmazie und Biochemie der JGU seit 2006 in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Markus Möhler der Universitätsmedizin Mainz durch. Gefördert wurden diese Forschungsarbeiten durch die Stiftung Rheinland-Pfalz für Innovation in den Jahren 2009-2012.
"Besonders vielversprechend ist zudem, dass die Moguntinone für die Kombinationstherapie großes klinisches Potenzial haben. Tatsächlich zeigen sie in Kombination mit Chemotherapeutika deutliche Synergieeffekte, was die Wirkung anbetrifft", unterstreicht Möhler, der gemeinsam mit Dannhardt die neue Wirkstoffklasse der Aryl-heteroaryl-maleinimide für die Anwendung in der Klinik vollständig charakterisieren möchte.
Ob sich Zytostatika mit Tyrosinkinase-Hemmern kombinieren lassen, ist unter klinischen Gesichtspunkten entscheidend. Denn die Kombinationseffekte bewirken bei metastasierten Krebserkrankungen verminderte Resistenzentwicklungen, verbesserte Ansprechraten und eine höhere Lebenserwartung der Patienten. Zudem ermöglichen Moguntinone eine Therapie mit erweitertem Wirkspektrum. "Aus der aktiven Muttersubstanz entstehen bei der Verstoffwechslung mehrere pharmakologisch aktive Zwischenprodukte, sogenannte Metaboliten, mit unterschiedlichen Potenz- und Selektivitätsprofilen. Die Metaboliten der Moguntinone sind aufgrund der unterschiedlichen Selektivität in der Lage, verschiedene Angriffspunkte in den Signalwegen von Tumoren zu adressieren", erklärt Dannhardt.
Proteinkinasen gelten als die bedeutendsten Ziele der Wirkstoffentwicklung des 21. Jahrhunderts. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es allerdings nur 17 Tyrosinkinase-Hemmer für Tumorerkrankungen, davon nur einer mit Zulassung für die Therapie metastasierter Dickdarmkarzinome, obwohl Proteinkinasen 22 Prozent aller mit Medikamenten beeinflussbaren Gene ausmachen. Daraus resultiert, dass Tyrosinkinase-Hemmer im Kampf gegen den Krebs eine Schlüsselrolle einnehmen. "Nach unserer Einschätzung bringen Tyrosinkinase-Hemmer, die auf Wirkstoffen der Moguntinone basieren, ideale Voraussetzungen mit, um in der zukünftigen Krebstherapie bei gastrointestinalen Karzinomen eine bedeutende Rolle zu spielen", so Möhler.
"Mit dem erfolgreich beim Bundesministerium für Bildung und Forschung eingeworbenen Krebsforschungsprojekt bestätigt sich einmal mehr die hervorragende interdisziplinäre Kooperation der verschiedenen Institute und Kliniken unserer Universität", betont Prof. Dr. Wolfgang Hofmeister, Vizepräsident für Forschung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Dieses Forschungsprojekt hat im Hinblick auf die gewonnenen Forschungserkenntnisse das Potenzial, in eine Ausgründung aus der Universität heraus zu münden", so der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Ulrich Förstermann.
Das Ziel des vom BMBF geförderten Forschungsprojekts ist jetzt die in vitro- als auch in vivo-Validierung der zum Patent angemeldeten Moguntinone als Voraussetzung für eine Erprobung in einer klinischen Phase I-Studie. Dabei werden Verträglichkeit und Wirkweise des Wirkstoffs im menschlichen Körper getestet.