Langfristiges Projekt zur Übersetzung deutscher Literatur ins Arabische
01.10.2009
Erster Adressat ist die Sektion Kalima im Kultusministerium von Abu Dhabi, auf dem Absender steht "Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft Germersheim" und zum Versand kommen herausragende Bücher deutscher Autoren in arabischer Übersetzung. Die Büchersendung aus Germersheim ist Teil eines einmaligen Projekts zur kontinuierlichen Übersetzung deutscher Literatur, insbesondere Gegenwartsliteratur und Kinderbücher, ins Arabische. "Es ist ein unvergleichliches Übersetzungsvorhaben, für das wir in Germersheim von Kalima den Auftrag bekommen haben", sagt Mustafa Al-Slaiman vom Fachbereich Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft (FASK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Wir werden systematisch aus allen Literaturgattungen herausragende Bücher auswählen und diese Zug um Zug ins Arabische übersetzen." Bis jetzt wurden bereits über 20 Titel veröffentlicht, die bei der Frankfurter Buchmesse vorgestellt werden, darunter "Atemschaukel" von Herta Müller, "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann und "Leibhaftig" von Christa Wolf sowie "Der kleine Wassermann" von Otfried Preußler.
Die Absichtserklärung zur Literatur-Übersetzung war im März dieses Jahres bei einem Besuch von Ministerpräsident Kurt Beck zwischen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Sektion Kalima des Kulturministeriums von Abu Dhabi unterzeichnet worden. Abu Dhabi, das größte der sieben Emirate, die die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bilden, lässt demnach jedes Jahr etwa 20 Bücher in die arabische Sprache übersetzen und wird sie jeweils zur Frankfurter Buchmesse im Herbst und zur Buchmesse in Abu Dhabi im Frühjahr vorstellen. Das Übersetzungsprojekt wird von Werkstattgesprächen mit Autoren, Verlagen, Literaturkritikern und Übersetzern begleitet. Kalima, die auch einen Verlag betreibt, wird die übersetzten Bücher veröffentlichen und in 22 arabischen Ländern vertreiben. "Wir haben Titel ausgewählt, die in der arabischen Welt Gefallen finden werden", davon ist Dr. Hans-Joachim Bopst vom Institut für Interkulturelle Kommunikation in Germersheim überzeugt. Bopst, der an der Reise nach Abu Dhabi teilgenommen hatte, hofft, dass die Kooperation mit den Partnern vom arabischen Golf künftig noch auf andere Bereiche ausgedehnt wird. "Wir könnten gemeinsam Weiterbildungskurse für Übersetzer und Dolmetscher oder für Gästeführer in deutscher Sprache in den Vereinigten Arabischen Emiraten organisieren", skizziert Bopst die Ideen.
An der Auswahl der Bücher für den arabischen Markt sind die Mitarbeiter in Germersheim und die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt beteiligt. "Das systematische und programmatische Vorgehen bei der Wahl der Titel ist einmalig", erklärt Al-Slaiman, der das Übersetzungsprojekt koordiniert und leitet. Hat zum Beispiel ein Autor, der übersetzt werden soll, Epik, Lyrik und Dramen verfasst, so muss aus allen drei Gattungen ein Titel ausgewählt werden. Aber auch Sachbücher oder Literaturkritiken können auf die Liste der Übersetzer kommen. "Wir haben auch die Märchen der Gebrüder Grimm im Programm, die wir in einer besonderen, illustrierten Ausgabe veröffentlichen wollen." Grundsätzlich ist alles denkbar, prinzipielle Einschränkungen in der Auswahl gibt es nicht - auch wenn die Übersetzung selbst die kulturellen und religiösen Besonderheiten in der arabischen Welt berücksichtigen und vielleicht auf die ein oder andere Darstellung verzichten muss.
Dass die Übersetzung gelingt, dafür bürgt der Absender "FASK Germersheim". Die Übersetzer-Schmiede in dem 20.000 Einwohner zählenden Städtchen in der Pfalz steht für Kompetenz und Qualität. Der Übersetzerpool für das Abu-Dhabi-Projekt besteht überwiegend aus Absolventen des Fachbereichs, viele der derzeit 24 Mitarbeiter leben und arbeiten vor Ort. Nicht zuletzt ist es auch den deutschen Buchverlagen zu verdanken, dass das Ganze so gut läuft und bereits im Oktober die ersten arabischen Bücher vorliegen. "Ausgezeichnet" sei die Kooperation mit den Verlagen, die die Rechte für die ausgewählten Bücher halten, sagt Al-Slaiman. "Sie sind uns sehr weit entgegengekommen." Dies betrifft nicht nur die Rechte am Text, sondern v.a. auch bei Kinder- und Jugendbücher die Bildrechte, bspw. die Illustrationen von Ute Krause zu Geschichten von Paul Maar. Dies wird hoffentlich auch in Zukunft so bleiben. Denn Ideen gibt es genug. Dass den Germersheimer Arabisch-Spezialisten so bald die Bücher nicht ausgehen, da ist sich Al-Slaiman sicher. "Ich denke, wir werden in den nächsten zehn Jahren intensive Arbeit haben", so seine Erwartungen.