Boehringer-Ingelheim-Preis 2014 für Ute Distler und Julia Weinmann-Menke von der Universitätsmedizin Mainz

Traditionsreiche Auszeichnung für Nachwuchswissenschaftlerinnen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

12.11.2014

Die Boehringer Ingelheim Stiftung vergibt ihren 99. und 100. Boehringer-Ingelheim-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen an zwei Nachwuchswissenschaftlerinnen der Universitätsmedizin Mainz. Biotechnologin Dr. Ute Distler vom Institut für Immunologie und PD Dr. Julia Weinmann-Menke von der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz teilen sich die mit insgesamt 30.000 Euro dotierte traditionsreiche Auszeichnung. Dr. Ute Distler hat ein Verfahren zur qualitativen und quantitativen Proteinanalyse optimiert, das die Grundlage ist, um wichtige biologische Prozesse aufzuklären. PD Dr. Julia Weinmann-Menke hat einen neuen Biomarker identifiziert, der erstmals schon Monate im Voraus eine Prognose über einen bestimmten Krankheitsverlauf bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes erlaubt.

"Die in diesem Jahr ausgezeichneten Preisträgerinnen repräsentieren das breite Spektrum der medizinischen Wissenschaft an der Universitätsmedizin Mainz in idealer Weise, spannen sie doch den Bogen von der Weiterentwicklung aktueller Analysemethoden in der medizinischen Grundlagenforschung hin zu anwendungsbezogener klinischer Forschung", so Prof. Dr. Ulrich Förstermann, Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Mainz. "Dies ist ganz im Sinne der Ausrichtung unseres Forschungsprofils auf die translationale Medizin, also die Übertragung von Forschungsergebnissen aus der medizinischen Grundlagenwissenschaft in die klinische Anwendung."

"Es ist unser Anliegen, exzellente Wissenschaft nachhaltig zu fördern. Und das beginnt mit der Unterstützung engagierter und motivierter Nachwuchsforscherinnen und -forscher, so wie wir es seit vielen Jahren unter anderem mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis machen", betonte Otto Boehringer, Vorsitzender des Vorstands der Boehringer Ingelheim Stiftung.

Dr. Ute Distler vom Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz ist es gelungen, eine bestimmte Analysemethode im Bereich der Massenspektrometrie derart zu optimieren, dass hochkomplexe biologische Proben mit höherer Effizienz analysiert werden können. Bei diesen Proben handelt es sich um komplexe Mischungen zahlreicher Proteine, die eine der wichtigsten Gruppen von biologischen "Bau- und Werkstoffen" darstellen. Fast alle Prozesse, die in den Zellen lebender Organismen ablaufen, beruhen auf der Wirkung und dem Zusammenspiel von Proteinen. Zur Aufklärung komplexer biologischer Vorgänge ist es daher von besonderer Bedeutung, beteiligte Proteine schnell und zuverlässig zu identifizieren und deren Menge zu bestimmen. Hierzu ist insbesondere die Massenspektrometrie die Methode der Wahl. Zur Analyse werden die Proteine enzymatisch in Peptide zerkleinert. Diese werden im Massenspektrometer basierend auf ihrem Verhältnis von Masse zu Ladung und der damit verbundenen unterschiedlichen Flugzeiten im Hochvakuum getrennt. Neue kommerzielle Geräte kombinieren die eigentliche Massenspektrometrie mit der sogenannten Ionenmobilitätstechnologie, die Größe und Form der Moleküle zur Auftrennung nutzt. "Durch diese zusätzliche Trenndimension erhalten wir völlig neue analytische Möglichkeiten", erklärt Dr. Ute Distler. "Im Rahmen meiner Forschungsarbeiten ist es mir nun gemeinsam mit meinen Kollegen am Institut für Immunologie gelungen, die bestehende Methode durch Veränderung verschiedener Geräteparameter grundlegend und gezielt zu optimieren. Mithilfe der neuen Methode können wir jetzt über 4.400 Proteingruppen in Tumorzellen in einer einzigen Analyse mit einer Messzeit von 200 Minuten identifizieren. Im Vergleich zur ursprünglichen Methode sind wir somit in der Lage, in der gleichen Zeit bis zu 47 Prozent mehr Proteingruppen zu identifizieren – dies ist ein enormer Fortschritt."

Neben der rein qualitativen Identifizierung von Proteinen ist in den letzten Jahren vor allem auch die quantitative Analyse des Proteoms mittels massenspektrometrischer Methoden in den Fokus des Interesses gerückt, also die Frage, wie viel eines bestimmten Proteins in einer Zelle vorliegt. So können die Wissenschaftler sehr gut dynamische Prozesse, die in einer Zelle ablaufen, erfassen. Dazu nutzen sie im aktuellen Fall die sogenannte "label-freie" Quantifizierung, die den Vorteil hat, dass vor der eigentlichen Analyse keine aufwendige chemische Markierung der Proteine nötig ist. "Durch die wesentlich verbesserte Identifikationsrate und die Möglichkeit zur quantitativen Charakterisierung der identifizierten Proteine bildet unsere optimierte Analytikplattform die Grundlage, um hochkomplexe Proteinproben schnell und effizient zu analysieren", resümiert Distler. "Sie leistet somit einen entscheidenden Beitrag zur Aufklärung verschiedenster biologischer Prozesse – wie wir bereits bei verschiedenen konkreten Forschungsfragen zeigen konnten. Beispiele sind die Bestimmung der Proteinzusammensetzung der postsynaptischen Dichte im Hippocampus, einem Netzwerk von Proteinen, das bei Signalübertragung zwischen Nervenzellen eine wichtige Rolle spielt, oder die Charakterisierung der Proteinhülle auf der Oberfläche von Nanopartikeln nach Kontakt mit Blutserum – was bei einem zukünftigem Einsatz von Nanopartikeln in der Medizin von Bedeutung ist."

Die optimierte Messmethode ist eingebettet in die Technologieplattformen "Quantitative Proteomanalytik" des Forschungszentrums für Immuntherapie (FZI) und "ProTIC" des Forschungszentrums Translationale Neurowissenschaften (FTN) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Preisträgerin PD Dr. Julia Weinmann-Menke von der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz widmet ihre Forschungsarbeiten dem systemischen Lupus erythematodes (SLE), einer der ersten beschriebenen Autoimmunerkrankungen. Gemeinsam mit Kollegen konnte sie einen neuen Biomarker identifizieren, der erstmals sechs bis neun Monate im Voraus eine Vorhersage der Krankheitsentwicklung im Hinblick auf die sogenannte Lupusnephritis erlaubt. Dies ist eine Entzündung der Nieren bedingt durch die Lupus-Grunderkrankung, die mitentscheidend für die Prognose der betroffenen Patienten ist. Charakteristisch für einen SLE sind Entzündungsprozesse in verschiedenen Organen, auch in der Niere. Diese Lupusnephritis ist chronisch und tritt in wiederkehrenden Schüben auf. Je früher ein Schub erkannt wird und somit eine entsprechende Therapie erfolgen kann, desto besser ist die Prognose der Nierenfunktion. "Daher ist aus klinischer Sicht die Identifizierung eines prädiktiven Markers von hoher Bedeutung", betont Weinmann-Menke.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand sammeln sich bei einer Lupusnephritis zunächst bestimmte Zellen des Immunsystems, die Makrophagen, in der Niere an. Die Makrophagen wiederum werden durch einen Wachstumsfaktor, den sogenannten Colony Stimulating Factor-1 (CSF-1), reguliert. Fehlt CSF-1, entsteht keine Lupusnephritis, ist CSF-1 im Überschuss vorhanden, wird der Verlauf beschleunigt, wie die Wissenschaftler bereits früher im Mausmodell zeigen konnten. Zusammenfassend unterhält beziehungsweise vermittelt CSF-1 damit den Entzündungsprozess in der Niere.
"In unserer aktuellen Arbeit konnten wir zeigen, dass auch beim Menschen im Rahmen einer Lupusnephritis im Serum erhöhte Konzentrationen an CSF-1 nachweisbar sind, die wiederum mit der Schwere der Erkrankung korrelieren", erläutert Weinmann-Menke. "Diese experimentellen Ergebnisse konnten wir in zwei Gruppen mit insgesamt 263 SLE-Patienten überprüfen und bestätigen. Dabei konnten wir zeigen, dass ein Anstieg des CSF-1 typisch für die Lupusnephritis ist."

Die besondere klinische Bedeutung der CSF-1 Bestimmung liegt darin, das Auftreten eines Schubs oder einer Neumanifestation der Nephritis vorhersagen zu können. Dies ergibt sich daraus, dass klinische Verläufe von Patienten über einen langen Zeitraum verfolgt und dokumentiert wurden. CSF-1 ist damit der erste Marker, der sechs bis neun Monate im Voraus einen Hinweis auf eine klinische Verschlechterung gibt. Die konventionellen Marker zeigen erst den vorliegenden Schub an. CSF-1 hat somit das Potenzial, die klinische Versorgung der Patienten durch Früherkennung zu verbessern und stellt darüber hinaus einen interessanten Ansatz für eine neue Therapieoption dar.