Vergleich mikroskopischer Zahnoberflächentexturen von Allosaurus und Tyrannosaurus zeigt keinen Unterschied in Aufnahme von abrasiven Knochen mit der Nahrung
13.12.2022
GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG DES LEIBNIZ-INSTITUTS ZUR ANALYSE DES BIODIVERSITÄTSWANDELS UND DER JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ
Die Forschung befasst sich seit Langem mit der Frage, wie sich die Dinosaurier genau ernährt haben, und verwendet immer feinere Techniken, um darauf Antworten zu finden. Erstmals wurde nun ein Verfahren zur Mikrotexturanalyse von Zähnen eingesetzt, um die Ernährungsweise von großen fleischfressenden Theropoden, darunter Allosaurus und Tyrannosaurus rex, zu untersuchen. Mit dem mikroskopischen Verfahren kann aus den kleinsten Abnutzungsspuren ein 3-D-Oberflächenmodell des Zahnschmelzes erstellt werden, das Rückschlüsse auf eine Ernährung mit entweder eher weicher oder eher harter Nahrung liefert. Entgegen den Erwartungen fanden die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwischen Allosaurus und Tyrannosaurus keine Unterschiede in der Intensität, mit der Knochen gefressen und mit den Zähnen zerkleinert wurden. Allerdings zeigten sich Unterschiede zwischen Jungtieren und Erwachsenen. Die Studie wurde an der Universität Tokio in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) in Hamburg und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erstellt und im Fachmagazin Palaeontology veröffentlicht.
DMTA zeigt Zahnoberflächenrelief ähnlich wie eine topografische Karte
Die Theropoden waren vorwiegend Fleischfresser und standen im Erdmittelalter an der Spitze der Nahrungspyramide, bis sie zum Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren ausgestorben sind. Um ihre Ernährung zu untersuchen und Unterschiede im Fressverhalten zu ermitteln, werden in der Regel gut erhaltene Schädel benötigt. Die Analyse der Mikroabnutzungstextur von Zähnen, kurz DMTA vom englischen "Dental Microwear Texture Analysis", wurde nun erstmals zur Untersuchung einzelner Theropoden-Zähne eingesetzt, die viel häufiger in der Form von Fossilien erhalten geblieben sind als komplette Schädel. Damit kann die Zahnoberfläche wie auf einer Geländekarte als dreidimensionales Höhenmodell abgebildet werden. Aus der Rauheit, Tiefe und Komplexität der Abnutzungsspuren wird geschlossen, ob harte Materialien in größerem Umfang mit der Nahrung aufgenommen wurden. In diesem Fall können es nur Knochen gewesen sein.
"Zahnoberflächen sind ein Archiv des Ernährungsverhaltens und der Lebensraumnutzung", erklärt Prof. Dr. Thomas Kaiser vom LIB in Hamburg, wo die Messungen durchgeführt wurden. Die Forschenden am LIB können auf eine weltweit einzigartige Vergleichsdatenbank zugreifen. Dies erlaubt auch Vergleiche zwischen Dinosauriern und Säugetieren. "Wir haben hier eine universelle Lebensraumschnittstelle erschlossen, die gewissermaßen die Zeitreise ins Erdmittelalter ermöglicht." Denn Mikroabnutzungstexturen bleiben, wie die Zähne der Wirbeltiere auch, über Jahrmillionen fast im Originalzustand erhalten.
"Wir wollten testen, ob wir mittels der DMTA-Hinweise auf ein unterschiedliches Ernährungsverhalten bei Tyrannosauriden und Allosaurus finden können. Die Tyrannosauriden haben in der Kreidezeit vor 145 bis 66 Millionen Jahren gelebt, der ältere Allosaurus in der Jurazeit vor 201 bis 145 Millionen Jahren“, berichtet Erstautorin Dr. Daniela Winkler zum Ziel der Studie.
Das Zusammenspiel von Zahnnutzung, Schädelform und Beißkräften gibt wiederum Hinweise, wie diese Räuber ihre Beute erlegt und aufgenommen haben. Bei Tyrannosaurus wurde vermutet, dass vergleichsweise viele Knochen mitgefressen wurden und sich das Zerbeißen von harten Knochen mithilfe der DMTA in Form von raueren und komplexeren Oberflächentexturen zeigen lässt. "Unsere Daten legen jedoch nahe, dass sich die beiden Theropoden, Allosaurus und Tyrannosaurus, nicht so sehr unterscheiden, wie man vielleicht erwartet hätte", fasst der Mainzer Paläontologe Prof. Dr. Thomas Tütken die Ergebnisse zusammen. Die Studien wurden von Dr. Daniela Winkler in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Tütken am Institut für Geowissenschaften der JGU begonnen und nun an der Graduate School of Frontier Sciences der Universität Tokio abgeschlossen.
Zähne von jungen räuberischen Dinosauriern weisen stärkere Abnutzung auf als die von Erwachsenen
Insgesamt untersuchte das Team 48 Zähne, 34 von Dinosauriern und zum Vergleich 14 von heutigen Krokodilen. Dabei fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowohl bei den Dinosauriern als auch bei den Krokodilen einen deutlichen Unterschied zwischen Jungtieren und Erwachsenen: "Wir untersuchten zwei jugendliche Dinosaurier, einen Allosaurus und einen Tyrannosauriden, und stellten fest, dass beide eine andere Nahrungsnische und ein anderes Fressverhalten hatten als die Erwachsenen", so Winkler.
Die Zähne der Jungtiere waren der Studie zufolge stärker abgenutzt, was bedeuten könnte, dass sie sich häufiger von Kadavern ernähren mussten und es zu mehr Knochen-Zahnkontakt beim Abnagen des Fleischs von den Knochen kam. Anders bei den Krokodilen, die als nächste lebende Verwandte der Dinosaurier – neben den Vögeln – zum Vergleich herangezogen wurden: Die Zähne junger Krokodile waren weniger abgenutzt, weil sie sich von weicherer Nahrung wie Insekten ernähren.
Die Studie zeigt, dass die DMTA als Analysemethode dazu beitragen kann, die Dinosaurier selbst und ihre Ernährungsweise sowie auch die Umwelt, in der sie lebten, besser zu verstehen. Die Ergebnisse könnten nach Einschätzung von Prof. Dr. Thomas Tütken in Zukunft mit geochemischen Indikatoren kombiniert werden, um die Nahrungsökologie der Dinosaurier noch genauer zu erforschen.