Neue Studie untersucht Einstellung von Bürgern bei Liberalisierung von Präimplantationsdiagnostik

DFG fördert Untersuchung zur Repräsentation der öffentlichen Meinung durch Volksvertreter im Bereich Bioethik

17.02.2016

Wie die Bundesbürger zur Präimplantationsdiagnostik (PID) und ihrer gesetzlichen Regelung stehen, wird eine neue wissenschaftliche Studie ab Frühsommer dieses Jahres ermitteln. Dabei sollen 2000 Bürgerinnen und Bürger zu ihrer Einstellung befragt werden. Als Präimplantationsdiagnostik bezeichnet man verschiedene Verfahren zur genetischen Untersuchung von Eizellen, die künstlich befruchtet wurden. Seit 2011 besteht in Deutschland ein Gesetz, das die PID im Grundsatz verbietet, aber Ausnahmen erlaubt. Politikwissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wollen mit der neuen, bundesweiten Studie insbesondere herausfinden, ob zwischen den Wünschen der Bürger und den Ansichten der Volksvertreter im Parlament eine Differenz besteht und wie groß diese "Repräsentationslücke" gegebenenfalls ist. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Forschungsprojekt mit 220.000 Euro.

Deutschland hat im Vergleich zu einigen anderen westeuropäischen Ländern sehr strenge Regeln zur Präimplantationsdiagnostik. So ist die PID hier im Grundsatz verboten, aber unter zwei Voraussetzungen zulässig: Die Vornahme einer PID ist dann nicht rechtswidrig, wenn aufgrund der genetischen Veranlagung der Eltern mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwere Erbkrankheit zu erwarten ist oder wenn durch die PID eine Schädigung des Embryos ausgeschlossen werden soll, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen würde. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde 2011 im Bundestag nur mit knapper Mehrheit von 54 Prozent befürwortet.

Bevölkerung könnte kritische Haltung der Politiker nicht teilen

Ältere und auch aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass die PID-kritische Haltung der Politiker von der Bevölkerung nicht geteilt wird und viele eine generelle Zulassung der PID zur Untersuchung von Erbkrankheiten befürworten würden. "Solche Meinungsunterschiede sind in einer Demokratie nicht ungewöhnlich und auch nicht unbedingt problematisch, wenn es sich um Themen handelt, die für die meisten Menschen nicht so wichtig sind", sagt Prof. Dr. Kai Arzheimer, der Leiter der geplanten Studie vom Institut für Politikwissenschaft. "Allerdings ist zu erwarten, dass die Bedeutung der Reproduktionsmedizin und besonders der PID in den nächsten Jahren erheblich zunehmen wird." In Ländern wie Belgien, Großbritannien und den USA könnte die PID schon bald als umfassende Screening-Untersuchung eingesetzt werden, um die Erfolgsquote der teuren und für die Patientinnen belastenden In-vitro-Fertilisation zu steigern. "Es ist schwer vorstellbar, dass sich Deutschland diesem Trend dauerhaft entziehen kann. Daher ist es wichtig, die Frage nach der öffentlichen Meinung und ihrer Repräsentation durch die Parlamentarier zu stellen", so Arzheimer.

Dazu werden die Politikwissenschaftler zwei zufällig ausgewählten Personengruppen jeweils drei gesetzliche Regelungen zur Auswahl vorlegen, die auch im Bundestag 2011 debattiert worden sind. Eine der beiden Gruppen erhält zusätzlich zwei weitere Optionen, die in Anlehnung an das belgische oder britische Model wesentlich liberaler sind. Dadurch wird zunächst die ursprüngliche Haltung der Befragten ermittelt und mit den Beschlüssen des Bundestags verglichen. Mit Hilfe der Kontrollgruppe lässt sich außerdem feststellen, ob die Wünsche über das hinausgehen, was im Bundestag zur Abstimmung stand. Danach werden die beiden Gruppen mit Argumenten für oder gegen eine Freigabe der PID konfrontiert und anschließend noch einmal befragt. "So lässt sich feststellen, ob sich die vermutete Repräsentationslücke durch eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema schließen lässt oder ob sich die Wünsche von Bürgern und politischen Eliten in diesem Bereich grundsätzlich unterscheiden", fasst Arzheimer zusammen. Erste Ergebnisse der Studie sollen im zweiten Halbjahr 2016 vorliegen.