SUPRAVACC verfolgt Baukasten-Prinzip zur individuellen Zusammenstellung von Komponenten für vollsynthetische Impfstoffe
10.12.2018
Prof. Dr. Pol Besenius, Chemiker an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), erhält für die Entwicklung vollsynthetischer Impfstoffe eine Förderung des Europäischen Forschungsrats (European Research Council – ERC). Das Ziel von Besenius ist es unter anderem, das Problem der geringen Stabilität und kurzen Haltbarkeit bei den aktuell entwickelten Impfstoffen zu überwinden. Für das Design neuer Vakzine sollen daher Bausteine wie in einem Baukasten zur Verfügung gestellt werden, die sich selbst zusammenlagern und krankheitsspezifische neue Impfstoffe bilden. Der Europäische Forschungsrat stellt für das Projekt "Supramolecular engineering of glycan-decorated peptides as synthetic vaccines" (SUPRAVACC) in den kommenden fünf Jahren zwei Millionen Euro bereit. Der ERC Consolidator Grant ist eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU.
Die wichtigste Funktion von Impfstoffen ist die Induktion eines immunologischen Gedächtnisses, das für einen langfristigen Schutz vor Krankheitserregern entscheidend ist. Die derzeitigen Strategien für wirksame antibakterielle und antivirale Impfstoffe basieren darauf, dass für den Erreger spezifische Erkennungsmotive auf ein Trägerprotein aufgebracht werden. Allerdings leiden diese Formulierungen unter geringer Stabilität und kurzer Haltbarkeit und sind daher in Entwicklungsländern nur begrenzt anwendbar. Strategien zur Entwicklung neuer Vakzine gegen endogene Krankheiten wie Krebs bleiben weiterhin eine ungelöste Herausforderung, da die derzeitigen Methoden keinen Zugang zu modularen oder maßgeschneiderten Vakzinen bieten.
"Ich schlage daher einen radikal neuen Design-Ansatz für die Entwicklung vollsynthetischer, supramolekularer Impfstoffe vor", erklärt Pol Besenius. Ziel ist es, Kohlenhydrat- und Glykopeptid-Epitope zu synthetisieren und sie an supramolekulare Bausteine anzuknüpfen. Epitope sind Strukturen oder Molekülabschnitte, die eine spezifische Immunantwort auslösen können. Die supramolekularen Bausteine können individuell gestaltet werden, um krankheitsspezifische Antigene und Immunstimulatoren anzuheften.
Baukasten liefert supramolekulare Komponenten, die sich von selbst zu Vakzinen zusammensetzen
Supramolekulare Materialien beruhen auf der Selbstassemblierung molekularer Bausteine zu geordneten Polymerstrukturen. Weil sich die Komponenten von selbst zusammenlagern und nanoskalige Partikel ausbilden, dienen sie zur Entwicklung eines "Subeinheiten-Vakzin-Baukastens". Die vorgeschlagene Strategie ermöglicht die Herstellung breit anwendbarer Vakzine, indem durch Co-Assemblierung von unterschiedlich funktionalisierten Komponenten speziell auf die Anwendung einstellbare Partikel erhalten werden. "Das heißt also, ich bestimme die Zusammensetzung der Mischung und die Bausteine fügen sich dann selbstständig zu maßgeschneiderten Nanostrukturen zusammen", beschreibt Besenius den Vorgang. Der modulare Ansatz ermöglicht weiterhin einen Zugang zu Vakzinen, die frei von biologischer Kontamination sind und gelagert werden können.
Die immunologische Evaluierung der vollsynthetischen Impfstoffe wird das Team um Pol Besenius in Kooperation mit der Gruppe von Prof. Dr. Edgar Schmitt am Institut für Immunologie, Universitätsmedizin Mainz, durchführen. "Wir hoffen, dass wir mit SUPRAVACC bei der Entwicklung minimalistischer und breit anwendbarer Impfstoffe Pionierarbeit leisten können", so Besenius. Dazu gehört auch, dass der supramolekulare Engineering-Ansatz im Hinblick auf eine Immunisierung gegen bakterielle Erkrankungen sowie als potenzieller Kandidat für Anti-Tumor-Vakzine evaluiert wird. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt werden sich auch, so die Erwartungen, auf die Entwicklung von Impfstoffen in Forschungs- und Industrielaboren auswirken.
ERC Consolidator Grant: Wissenschaftliche Exzellenz und bahnbrechender Ansatz
Pol Besenius, geboren 1981 in Luxemburg, studierte Chemie an der Technischen Universität Wien und anschließend als Austauschstudent an der University of Strathclyde in Glasgow, Schottland. An der University of Strathclyde und der WestCHEM Research School in Glasgow erstellt er auch seine Doktorarbeit, bevor er dann als Postdoc und Marie-Curie-Stipendiat an die Technischen Universität Eindhoven wechselte. Anschließend warb Besenius ein Liebig-Stipendium ein und war als Habilitand von 2011 bis 2014 am Organisch-Chemischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Zentrum für Nanotechnologie tätig. Im Januar 2015 wurde Besenius als Professor für Makromolekulare Chemie an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz berufen.
Der ERC Consolidator Grant ist eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU für einzelne Wissenschaftler. Der Europäische Forschungsrat fördert damit herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 7 bis 12 Jahre nach der Promotion, wenn das eigene Forschungsprogramm ausgebaut wird. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Exzellenz müssen die Antragsteller den bahnbrechenden Ansatz ihres Projekts und seine Machbarkeit nachweisen, um die Förderung zu erhalten.
Der Europäische Forschungsrat hat außerdem zwei weitere ERC Consolidator Grants an der JGU genehmigt: Ein Projekt zur Erforschung der Biosynthese der Kutikula von Käfern mithilfe von Symbionten von Prof. Dr. Martin Kaltenpoth und ein weiteres zur Entwicklung eines neuen Ansatzes in der optischen Spektroskopie von Dr. Mustapha Laatiaoui. Mit insgesamt drei ERC Consolidator Grants gehört die JGU zusammen mit der LMU München zu den erfolgreichsten German U15-Universitäten.