Gutenberg Brain Study und Mainzer Resilienz-Projekt starten Studie zu Resilienzmechanismen des Gehirns

Verbesserung von Prävention und Therapie von Gehirnerkrankungen als langfristiges Ziel

10.09.2014

Weshalb entwickeln manche Menschen unter Belastung eine psychische Erkrankung, andere hingegen nicht? Welchen genetischen Einflüssen unterliegen die Prozesse, die unser Gehirn im Gleichgewicht halten? Das sind die zwei Kernfragen der Gutenberg Brain Study (GBS) und insbesondere des Mainzer Resilienz-Projekts (MARP). Die Forscher der GBS erheben im Rahmen einer großen, bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe genetische Daten von 5.000 zufällig ausgewählten gesunden Bürgern der Stadt Mainz und des Kreises Mainz-Bingen. Ziel ist es, eine Daten- und Biobank aufzubauen. MARP nutzt moderne Methoden der funktionellen Bildgebung des Gehirns, um die Mechanismen des Gehirns zur seelischen Widerstandskraft zu erforschen. Mithilfe der so gewonnenen Forschungserkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns und die Aufrechterhaltung der Hirngesundheit wollen die Wissenschaftler Prävention und Therapie von Gehirnerkrankungen verbessern. Die GBS und das MARP sind Projekte innerhalb des neu gegründeten Deutschen Resilienz-Zentrums Mainz (DRZ), dem europaweit ersten Zentrum zur Resilienzforschung.

Das Gehirn ist das komplexeste Organ des menschlichen Körpers. Entsprechend gering ist derzeit noch der wissenschaftliche Erkenntnisstand über seine Funktionsweise. Als gesicherte Erkenntnis gilt, dass genetische Faktoren, Umwelteinflüsse und deren Interaktion die Hirngesundheit bestimmen. Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass sie zudem sowohl durch schützende und selbstregulierende Mechanismen, sogenannte Resilienzfaktoren, als auch durch potenziell schädliche und das Erkrankungsrisiko erhöhende Determinanten beeinflusst wird.

"Wir legen in unseren Forschungen zu den Resilienzfaktoren den Fokus insbesondere auf Resilienzmechanismen des Gehirns. Die Frage, warum viele Menschen trotz großer mentaler oder körperlicher Belastungen nicht oder nur vorübergehend erkranken, ist hochinteressant. Der Mensch ist imstande, trotz schwerwiegender körperlicher oder mentaler Belastungen seine seelische Gesundheit zu bewahren oder wiederherzustellen. Dabei laufen aktive und teils biologisch fundierte Prozesse ab – ein hoch spannendes Forschungsfeld. Angesichts gesellschaftlicher Umbrüche, steigender Zukunftsunsicherheit und der hohen Verbreitung psychiatrischer Erkrankungen ist es zudem gesamtgesellschaftlich relevant", erläutert der Wissenschaftliche Leiter der GBS und des Clinical Investigation Center (CIC) des Forschungszentrums Translationale Neurowissenschaften (FTN) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), PD Dr. Oliver Tüscher. Die GBS steht unter der Schirmherrschaft der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, Doris Ahnen.

Die Gutenberg Brain Study ist allerdings mehr als nur eine Studie. Sie fungiert als Studienplattform für translationale, genetische und resilienzbezogene Neuroforschung am Clinical Investigation Center. Hauptziel der GBS ist es daher, einen bevölkerungsbasierten Probandenpool mit entsprechender Biobank als Forschungsressource aufzubauen und für weitere Untersuchungen der Hirnstruktur- und Funktion, sogenannte GBS-assoziierte Projekte, zu nutzen. "Die GBS ist ein wegweisendes interdisziplinäres Forschungsprojekt der Genetik, Epidemiologie und systemischen Neurowissenschaften. Mit ihrer Hilfe können wir unsere translationalen Aktivitäten weiter ausbauen und das Forschungszentrum Translationale Neurowissenschaften stärken“, betont der Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Ulrich Förstermann.

Ein Beispiel für ein zentrales GBS-assoziiertes Projekt ist das Mainzer Resilienz-Projekt (MARP). In diesem werden junge, gesunde Studienteilnehmer rekrutiert, die sich in der besonderen und nicht selten schwierigen Lebensphase des Übergangs von Jugend und Schulzeit hin zum Berufsleben befinden. Um ihre psychische Gesundheit und die Stressfaktoren, denen sie im Laufe der Jahre ausgesetzt sind, zu erfassen, begleiten die Wissenschaftler die Probanden über mehrere Jahre. Dadurch wollen die Forscher Eigenschaften und wichtige Schutzmechanismen des Gehirns sowie geistige Fähigkeiten zur seelischen Widerstandskraft identifizieren. Das langfristige Ziel besteht darin, effektive Präventionsmaßnahmen zu entwickeln und so individuelles Leid sowie ökonomische und soziale Kosten zu reduzieren.

Die assoziierten Projekte der Gutenberg Brain Study im Bereich der genetischen Bildgebung und der neuralen Resilienzmechanismen erhalten externe Fördergelder des European Research Council beziehungsweise der Stiftung Rheinland-Pfalz für Innovation. Darüber hinaus ist die GBS integraler Bestandteil mehrerer laufender Antragsinitiativen bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Die Projekte sind wie die GBS dem neu gegründeten Deutschen Resilienz-Zentrum Mainz zuzuordnen. In diesem hat das Forschungszentrum Translationale Neurowissenschaften seine Kompetenzen zur Resilienzforschung gebündelt. Kernprofil des DRZ bilden die drei Bereiche Verstehen, Vorbeugen, Verändern. Zentrales Ziel ist die neurobiologische Erforschung der Resilienzmechanismen, die Entwicklung evidenzbasierter Interventionen zur Resilienzstärkung und die Beratung von Gesellschaft und Politik zur Gestaltung resilienzfördernder Lebens- und Umweltbedingung. Sprecher des DRZ ist Prof. Dr. Dr. Robert Nitsch, FTN-Sprecher und Direktor des Instituts für Mikroskopische Anatomie und Neurobiologie der Universitätsmedizin Mainz. Prof. Dr. Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, ist stellvertretender Sprecher des DRZ.