Soziolinguistisches Forschungsprojekt untersucht Bedeutung des Namens für Transgender und Motive für Namensänderungen

Einstufung von Rufnamen als phonologisch typisch weiblich oder typisch männlich mittels Genderindex

05.11.2013

Rufnamen sind in Deutschland recht einfach als weiblich oder männlich zu erkennen und ermöglichen so eine klare Geschlechterzuordnung. Das Verbot, männliche Rufnamen für Mädchen oder weibliche Rufnamen für Jungen zu vergeben, wird allerdings zum Problem, wenn Menschen ihr Geschlecht ändern möchten. Das Transsexuellengesetz liefert seit 1980 den rechtlichen Rahmen für eine Namensänderung, wovon seitdem mehrere tausend Menschen Gebrauch gemacht haben – genaue Zahlen gibt es nicht. Welche Bedeutung der alte oder der neue Name für Transmenschen hat und welchen Stellenwert dem Namen im Hinblick auf die Geschlechtszugehörigkeit zukommt, untersucht ein Forschungsprojekt an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).

"Unsere Namen sind für uns alle von ganz großer Bedeutung", sagt Miriam Schmidt-Jüngst vom Deutschen Institut der JGU. Wir identifizieren uns mit unserem Namen, etwa wenn wir sagen "Ich bin Marie" anstelle von "Ich heiße Marie". Der Name ermöglicht es andererseits auch, Menschen zu kategorisieren – insbesondere als Frau oder Mann , da der Rufname in Deutschland das Geschlecht offenbaren muss. "Es gibt bei den Rufnamen in Deutschland eine prototypisch weibliche und eine prototypisch männliche Lautstruktur, wobei insbesondere die Endung des Namens entscheidend ist", erklärt Schmidt-Jüngst. Ein Auslaut auf "a" ist meist ein Frauenname, während eine Endung mit "o" nahezu hundertprozentig einen männlichen Namen anzeigt. "Ein Konsonant am Ende des Namens wie bei Rolf, Frank oder Klaus ist fast immer ein eindeutiges Signal, dass der Name männlich ist."

Mit einem Genderindex, der am Deutschen Institut der JGU entwickelt wird, können Rufnamen auf einer Skala von -8 bis +8 als phonologisch typisch weiblich oder typisch männlich eingestuft werden. "Jeremia" liegt beispielsweise mit +7 genauso weit im prototypisch weiblichen Bereich wie "Manuela" – natürlich ohne dadurch etwas über die tatsächliche Männlichkeit oder Weiblichkeit der Namenträgerin oder des Namenträgers auszusagen.

Im Rahmen ihrer Promotionsarbeit zur Selbstbenennung von Transgendern untersucht Schmidt-Jüngst, welche Wahl Transpersonen bei ihrer Namensänderung treffen und welche persönliche Bedeutung diese für sie hat: Wie wurde der neue Name gewählt? Ist es vielleicht der Name, den die Eltern dem Kind gegeben hätten, wenn es bereits bei der Geburt ein anderes Geschlecht gehabt hätte? Welche Motive haben die Wahl des neuen Namens bestimmt und welchen Stellenwert hat er für die Geschlechtsidentität? In welchem Verhältnis stehen alter und neuer Name zueinander?

Miriam Schmidt-Jüngst war nach ihrem Studium als wissenschaftliche Mitarbeiterin im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt "Deutscher Familiennamenatlas" tätig und ist seit April 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der DFG-Forschergruppe "Un/doing differences. Praktiken der Humandifferenzierung". Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Soziologie, Ethnologie, Amerikanistik, Theaterwissenschaft und Germanistischen Linguistik befassen sich damit, wie Kategorisierungen und Differenzierungen zwischen einzelnen Menschen oder Menschengruppen erfolgen, wie sie sich verändern oder wieder aufgehoben werden.