Ethnologen der Universitäten Mainz und Frankfurt übergeben Dokumentation oraler Geschichte an das Nationalarchiv von Burkina Faso

Beitrag zur dauerhaften Sicherung immateriellen kulturellen Erbes

12.07.2012

Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der Goethe-Universität Frankfurt am Main haben Ende Juni 2012 ein umfangreiches Konvolut mit über 6.000 Seiten Mitschriften, Transkriptionen und Übersetzungen von beinahe 800 Interviews mit Dorfältesten, Erdherren und Häuptlingen in der Grenzregion von Burkina Faso und Ghana an das 1970 geschaffene Nationalarchiv von Burkina Faso in der Hauptstadt Ouagadougou übergeben. Unter Leitung von Prof. Dr. Carola Lentz vom Institut für Ethnologie und Afrikastudien der JGU hatte ein mehrköpfiges Team von Nachwuchswissenschaftlern im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Teilprojekts im Sonderforschungsbereich 268 "Kulturentwicklung und Sprachgeschichte im Naturraum westafrikanischer Savanne" zwischen 1997 und 2002 in mehr als 200 Dörfern im Nordwesten Ghanas und Südwesten von Burkina Faso die lokalen oralen Traditionen zur Migrations- und Besiedlungsgeschichte, zum Bodenrecht und zur politischen Organisation in vorkolonialer Zeit, unter dem Kolonialregime und in nachkolonialer Zeit erhoben. Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Forschungsprojekts sind beachtlich: Fünfzehn Magisterarbeiten, zwei Doktorarbeiten und eine Habilitationsschrift entstanden im Projektkontext; Lentz und ihre Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter veröffentlichten insgesamt neun Bücher sowie über 90 Zeitschriftenaufsätze und Buchbeiträge.

Nach Abschluss des Projekts wollte das Forscherteam der interessierten Öffentlichkeit und den Wissenschaftlern vor Ort nicht nur die wissenschaftliche Auswertung zugänglich machen, sondern auch die Originaldokumente, die während der vielzähligen Interviews in der Grenzregion von Burkina Faso und Ghana entstanden sind. In der Forschungsregion, zu deren vorkolonialer Geschichte gar keine und auch für die neuere Entwicklung nur wenige schriftliche Quellen existieren, stellen die Erzählungen der Dorfältesten, die das Projektteam aufgenommen, transkribiert und ins Französische und Englische übersetzt hat, ein wertvolles Archiv dar. "Orale Traditionen sind Teil des immateriellen kulturellen Erbes", betonte Prof. Hamidou Diallo, Direktor des Nationalarchivs von Burkina Faso, in seiner Dankesrede bei der feierlichen Übergabe des in sechs umfangreiche Bände gebundenen, alphabetisch nach Dörfern sortiert und übersichtlich in Tabellen erschlossenen Forschungsmaterials. Orale Geschichtszeugnisse seien privilegierte Quellen, um die Geschichte der Ahnen Burkina Fasos v.a. in vorkolonialer Zeit zu erarbeiten, so Diallo weiter. Er bedankte sich ausdrücklich für die Anstrengungen des deutschen Forscherteams, die gesammelten Materialien für weitere Forschungen in dem Land zur Verfügung zu stellen, in dem sie einst entstanden sind, und wertete dies als eine Geste der wissenschaftlichen Partnerschaft, die leider noch keineswegs der Regelfall sei.

Weitere Exemplare der Dokumentation werden im Institute of African Studies der University of Ghana in Legon, in der Africana-Sammlung der Melville Herskovits Library der Northwestern University in Evanston, Illinois, USA, in der Bibliothek des Frobenius-Instituts der Goethe-Universität Frankfurt am Main und in der Bibliothek des Instituts für Ethnologie und Afrikastudien der Johannes Gutenberg-Universität Mainz archiviert.