Psychologische Studie sieht keinen Zusammenhang zwischen Konsum von forensischen Serien und Fähigkeit, Verbrechen zu vertuschen
07.12.2017
"CSI-Effekt" – so wird das Phänomen bezeichnet, wonach forensische TV-Serien den Zuschauer beeinflussen. Erkenntnisse aus der "Crime Scene Investigation" (CSI), also der Tatortermittlung im Film, könnten sich demnach im realen Leben niederschlagen. Im schlimmsten Fall, so die Befürchtungen, lernen potenzielle Verbrecher, wie sie eine Tat am besten vertuschen. Es wurden aber auch Bedenken geäußert, dass Mitglieder von US-Schwurgerichten überhöhte Erwartungen an die Ermittlungsergebnisse haben könnten und in der Folge die Zahl der Freisprüche steigt. Psychologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) um Prof. Dr. Heiko Hecht geben jetzt Entwarnung: Sie zeigen in einer experimentellen Untersuchung, dass zwischen dem Anschauen von forensischen Serien und den Fähigkeiten, ein Verbrechen zu begehen, kein Zusammenhang besteht. Es handelt sich um die erste experimentelle Arbeit, die sich mit der Frage beschäftigt, ob die Zuschauer solcher Serien vielleicht die besseren Verbrecher wären.
"CSI: Crime Scene Investigation" lautete der Titel einer US-Serie, die ab 2000 im amerikanischen Fernsehen lief und die Tatortermittlung der Kriminalpolizei schilderte. Der Effekt, der von dieser Serie seinen Namen hat, wurde schon bald für jeden Effekt verwendet, den eine beliebte Krimiserie auf das Publikum – einschließlich Kriminelle, Polizei und potenzielle Studierende der wissenschaftlichen Forensik – ausübt. "Die Behauptung solcher Zusammenhänge oder Auswirkungen stand dann jahrelang im Raum, ohne dass es irgendwelche Studien dazu gegeben hätte", erklärt Dr. Andreas Baranowski. Der Wissenschaftler hat mit seinen Kollegen an der JGU vier unterschiedliche Studien durchgeführt, um den Behauptungen nachzugehen und möglichst verlässliche Ergebnisse zu erzielen.
Zunächst haben sich die Psychologen Statistiken aus den Datenbanken von BKA und FBI angeschaut und die Rate der Verbrechensaufklärung in den Jahren vor dem Start von CSI mit der Rate danach verglichen. Dann wurden 24 verurteilte Kriminelle in Gefängnissen nach ihrer Meinung zu Serien wie CSI befragt und danach, ob sie solche Serien für hilfreich erachten, um einer Strafverfolgung zu entgehen. In einem dritten Schritt entwickelten die Wissenschaftler eine aufwendige Versuchsanordnung, um herauszufinden, ob die Zuschauer von CSI-Serien tatsächlich besser darin sind, bei einem gefakten Verbrechen die Spuren zu verwischen. Dieses Ziel verfolgten Baranowski und seine Kollegen auch mit dem vierten Versuchsteil, wobei hier das Verbrechen mithilfe eines Puppenhauses nachgespielt wurde.
CSI-Effekt ist ein Mythos
Insgesamt zeigte sich, dass zwischen dem Konsum von forensischen Serien und den Fähigkeiten, ein Verbrechen zu begehen, kein Zusammenhang besteht. Allerdings schnitten die Männer im vierten Versuchsteil bei ihrer Aufgabe besser ab als Frauen, jüngere Teilnehmer besser als ältere und höher gebildete besser als weniger gebildete Probanden. Versuchspersonen aus technischen Berufen, vorwiegend Männer, scheinen bei der Verbrechensvertuschung auch gewisse Vorteile zu haben.
Baranowski weist darauf hin, dass bereits in der Vergangenheit von ähnlichen Effekten die Rede war. Beginnend bei Sherlock Holmes über Quincy bis hin zu Law & Order äußerten warnende Stimmen immer wieder ihre Bedenken, die falschen Leute könnten dadurch informiert werden. "Immer wenn etwas Neues aufkommt, entstehen Ängste, die etwas platt und monokausal Gefahren wittern und nach Verboten rufen." Diesen Stimmen sei nun der Wind aus den Segeln genommen. "Wir können jetzt die Mythen widerlegen, die seit 20 Jahren in den Medien und anderen Schriften kursieren, und mit relativ großer Sicherheit behaupten, dass Leute, die CSI schauen, nicht besser darin sind, ihre Spuren zu verwischen, als andere Menschen auch."
Dr. Andreas Baranowski hat die Studie "The CSI-education effect: Do potential criminals benefit from forensic TV series?" in der Abteilung Allgemeine und Experimentelle Psychologie der JGU geleitet und ist nun als Postdoc in der psychologischen Forschung an der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig.