Britisch-deutsches Projekt untersucht Rolle der Translation in europäischen Zeitschriften der Nachkriegszeit

Britischer Forschungsrat und Deutsche Forschungsgemeinschaft fördern Zusammenarbeit von Nottingham Trent University und JGU im Projekt "Übersetzungsräume: Europäische Zeitschriftenkulturen"

15.12.2020

Bisher hat sich die Forschung nur wenig damit auseinandergesetzt, wie literarische und kulturelle Zeitschriften auf die turbulenten Nachkriegsjahre reagiert haben, etwa indem sie Intellektuellen eine Plattform für ihre Visionen von Europa boten, internationale Netzwerke knüpften und aktiv internationales kulturelles Engagement zeigten. Ein britisch-deutsches Forschungsprojekt wird sich in den kommenden drei Jahren mit diesem Thema befassen. Prof. Dr. Andrew Thacker von der Nottingham Trent University und Prof. Dr. Alison E. Martin vom Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erhalten für das Vorhaben mit dem Titel "Übersetzungsräume: Europäische Zeitschriftenkulturen, c. 1945-1965" eine Förderung in Höhe von rund 340.000 Euro von dem britischen Forschungsrat "Arts and Humanities Research Council" (AHRC) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Die Kooperationspartner werden in diesem Projekt eine Auswahl von Kulturzeitschriften aus dem englischen, französischen und deutschen Sprachraum untersuchen. Im Rahmen dieses Projekts werden sie näher beleuchten, wie diese Zeitschriften anhand von übersetzten literarischen und politischen Texten den Begriff "Europa" nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Mitte der 1960er-Jahre konstruieren. Ein rascher Wandel hin zur Dekolonialisierung, die Amerikanisierung der europäischen Kultur, ein zunehmender Anti-Militarismus sowie die durch den Kalten Krieg hervorgerufenen strategischen und ideologischen Konflikte führten in dieser Zeit zu einer neuen Auffassung dessen, wofür die europäische Idee steht und ob und wie sie verwirklicht werden könnte.

Die Praxis der Übersetzung in Kulturzeitschriften der Nachkriegszeit

Basierend auf dem Konzept von Zeitschriften als "europäischen Räumen" analysiert das Projekt folgende Forschungsfrage: Wie nutzt die Zeitschriftenkultur in Großbritannien, Frankreich und Deutschland Translation, um eine neue Vision für Europa nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs zu entwickeln? Das Hauptaugenmerk liegt auf der Praxis der Translation in den analysierten Zeitschriften: Welche Bedeutung haben Übersetzungen von Werken der Dichtung, Romanliteratur, Kritik, Sachliteratur? Inwiefern fungieren übersetzte Texte als kreative Kräfte zum Aufbau neuer europäischer Identitäten? Erschafft das Überwinden von Sprachgrenzen Bündnisse über nationale Grenzen hinweg? Erleben wir dagegen bei einer Praxis von Nicht-Translation, dass nationale Sprachen und Identitäten sich durchsetzen? Arbeiten bilinguale Zeitschriften aus dieser Zeit – zum Beispiel Two Cities, Adam, The Gate/Das Tor – daran, verschiedene nationale Literaturen zusammenzubringen oder betonen sie eine fortbestehende Divergenz?

"Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Projekt gemeinsam mit unseren Partnern in England nächstes Frühjahr beginnen können", sagt Prof. Dr. Alison Martin, die am JGU-Standort Germersheim im Arbeitsbereich Anglistik für das Forschungsprojekt zuständig ist. "Wir werden verschiedene Veranstaltungen organisieren, darunter Workshops, eine internationale Konferenz und eine öffentliche Ausstellung, die im Sommer 2022 im Germersheimer Tourismus-, Kultur- und Besucherzentrum stattfinden wird." Außerdem ist geplant, das übersetzte Material der untersuchten Zeitschriften online zugänglich zu machen und gemeinsam mit dem Team aus Nottingham ein Buch mit Aufsätzen zu dem Projekt zu veröffentlichen.

Der Arts and Humanities Research Council und die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördern gemeinsam verschiedene Projekte aus den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie den künstlerischen Bereichen. Sie bringen damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Großbritannien und Deutschland zusammen, um herausragende gemeinsame Forschungsprojekte zu verfolgen.