Nanodomänen an neuronaler Kommunikation beteiligt

Lokalisationsmikroskopie macht kleinste Veränderungen bei Einzelmolekülen in Prä- und Postsynapsen sichtbar

30.04.2020

Die Formbarkeit unseres Gehirns bildet die Grundlage für Lernen und Gedächtnis. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die synaptische Plastizität, also die variable Veränderung der Reizübertragung von einer Nervenzelle zur nächsten. Wie die Austauschprozesse zwischen den Synapsen genau funktionieren, erforscht Prof. Dr. Martin Heine mit seiner Arbeitsgruppe an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). "Die Synapsen der Neuronen verändern sich ständig in ihren Eigenschaften – das verstehen wir unter synaptischer Plastizität", erklärt der Biologe. Zusammen mit Dr. David Holcman, Forschungsdirektor für Angewandte Mathematik und Computergestützte Biologie an der École normale supérieure in Paris, hat Heine in einem Beitrag für die Fachzeitschrift Trends in Neurosciences dargestellt, wie Nanodomänen die neuronale Kommunikation mitgestalten.

Lokalisationsmikroskopie macht Bewegung sichtbar

Synapsen sind die Kontaktstellen, über die Nervenzellen miteinander kommunizieren können. Eine einzelne Nervenzelle kann bis zu 30.000 synaptische Kontakte von anderen Nervenzellen erhalten. Die zeitliche und räumliche Abfolge der eingehenden Signale ist entscheidend für die Verarbeitung und Weiterleitung von Informationen im Gehirn. An den Kontaktstellen werden ankommende elektrische Impulse in chemische Signale umgewandelt und an die nächste Zelle weitergegeben. Dabei strömen zunächst Kalziumionen in die Präsynapse ein, also in die vorgeschaltete Nervenzelle, die ein Signal aussenden möchte. Dieser Einstrom von Kalziumionen führt dann zur Freisetzung von Botenstoffen, die im synaptischen Spalt diffundieren und postsynaptische Rezeptoren aktivieren. Die Dynamik der beteiligten Moleküle – dazu gehören neben spannungsabhängigen Kalziumkanälen auf der "Senderseite" und Rezeptoren für die neuronalen Botenstoffe auf der "Empfängerseite" auch synaptische Adhäsionsmoleküle – ist wichtig für die Informationsübertragung und die synaptische Plastizität.

Diese Dynamik lässt sich mithilfe der Lokalisationsmikroskopie beobachten. Die Moleküle erhalten eine fluoreszierende Markierung und können mit superauflösenden Mikroskopen in lebenden Nervenzellen verfolgt werden. "Wir können einzelne Moleküle lokalisieren, ihre Bewegung nachverfolgen und die Bewegungsbahn nachzeichnen", erklärt Heine. Mit mathematischen Methoden lässt sich dann ermitteln, wie frei sich das Molekül bewegen kann beziehungsweise in welcher Dichte die Moleküle in den Nanokompartimenten vorhanden sind. "Wir haben also die Möglichkeit, kleinste Veränderungen in der Verteilung der Einzelmoleküle zu beobachten und mit der Aktivität der Synapsen abzugleichen." Die Synapsen unterliegen einem ständigen Auf- und Abbau. Rezeptoren werden hier laufend in ihrer Anordnung und Dichte verändert.

Signalmoleküle auf Nanoebene unterschiedlich organisiert

"Interessanterweise ist die Organisation der wichtigen Signalmoleküle auf der Nanoebene sehr unterschiedlich", schreiben Heine und Holcman in ihrem Beitrag zum Thema "Asymmetrie zwischen prä- und postsynaptischen Nanodomänen formt die neuronale Kommunikation". Die Kontaktstellen vor und hinter dem synaptischen Spalt haben jeweils einen Durchmesser von 200 bis 500 Nanometer – das entspricht in etwa der Größe der kleinsten Bakterien. Konkret sind beispielsweise präsynaptische Kalziumkanäle und postsynaptische Ionenkanäle wie die AMPA-Rezeptoren, an denen der Botenstoff Glutamat andockt, in Nanodomänen organisiert. Eine Nanodomäne ist charakterisiert durch die Dichte der Moleküle: Je dichter sie auftreten, desto mehr wird ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt und desto schwieriger wird es für die Moleküle, aus dieser Nanodomäne zu entkommen. Vielfältige Interaktionen können die Verweildauer der Moleküle in den Nanodomänen bestimmen. Während sowohl die prä- als auch die postsynaptischen Nanodomänen eine hohe Dichte an Molekülen aufweisen, unterscheiden sie sich wesentlich in der Verweildauer der Moleküle – und beeinflussen damit die synaptische Übertragung.

Alternatives Spleißen verändert Struktur von Kalziumkanälen

In Zukunft wird die Arbeitsgruppe von Heine weiter an Kalziumkanälen und mit ihnen assoziierten Molekülen forschen. Ein noch sehr wenig verstandenes Phänomen ist das sogenannte alternative Spleißen, wodurch die Struktur von Molekülen verändert werden kann. Dies gilt auch für Kalziumkanäle, die dadurch die Kurzzeitplastizität unterschiedlich beeinflussen können, wie die Arbeitsgruppe von Heine darstellen konnte. Obwohl es sich hier um reine Grundlagenforschung handelt, ist zu erwarten, dass die tiefere Kenntnis von Struktur und Funktion der Kalziumkanäle auch therapeutisch von Bedeutung sein wird. "Wir gehen davon aus, dass alternatives Splicing zellspezifisch die Funktion der Kanäle reguliert. Interessant wird es zu erfahren, welche Faktoren das alternative Spleißen auslösen und steuern", so Heine.

Martin Heine leitete von 2009 bis 2018 die Forschungsgruppe Molekulare Physiologie am Leibniz-Institut Neurobiologie in Magdeburg. Im Jahr 2018 wurde er auf die Professur für Funktionelle Neurobiologie an der JGU berufen. Die Forschungsschwerpunkte seiner Arbeitsgruppe liegen auf der Funktion der molekularen Dynamik von Ionenkanälen und Adhäsionsmolekülen für die synaptische Plastizität und deren Beitrag zu neuronaler Netzwerkaktivität.