Hippo-Signalweg reguliert mitotische Ruhephase in neuralen Stammzellen von Drosophila-Larven
23.03.2016
Neurale Stammzellen sind im Gehirn für die Ausbildung von differenzierten Tochterzellen und insbesondere von Nervenzellen zuständig. Werden keine neuen Zellen benötigt, können die Stammzellen in eine Ruhephase eintreten. Biologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun entdeckt, dass die Ruhephase im Zentralnervensystem der Taufliege Drosophila durch den Hippo-Signalweg gesteuert wird. Drosophila dient den Genetikern als Modellorganismus, um die molekularen Grundlagen der Zellbiologie zu entschlüsseln. Oft liefern die Erkenntnisse Hinweise auf ähnliche Mechanismen bei Menschen und anderen Wirbeltieren.
Stammzellen sind nicht ausdifferenzierte Zellen, die spezialisierte Zelltypen hervorbringen können. In Zeiten von Entwicklung und Wachstum oder auch für regenerative Zwecke sorgen Stammzellen für Nachschub und können beachtliche Mengen an Tochterzellen bilden. Störungen in diesem Ablauf wiederum können zu Tumorbildung oder einer verfrühten Erschöpfung des Stammzellreservoirs führen. "Das heißt also, dass die Aktivität von Stammzellen den Anforderungen entsprechend sehr genau reguliert werden muss. Wenn keine Zellvermehrung notwendig ist, bleiben die Stammzellen in der Ruhephase", erklärt Dr. Christian Berger vom Institut für Genetik der JGU.
In seiner Arbeitsgruppe ist nun der Nachweis gelungen, wie diese Ruhephase in neuralen Stammzellen von Drosophila aufrechterhalten wird: Proteininteraktionen zwischen Nischenzellen und Stammzellen aktivieren den Hippo-Signalweg, wodurch Wachstum und Zellteilung abgeschaltet werden bzw. abgeschaltet bleiben. "Die Ruhephase muss also aktiv hergestellt und aktiv aufrechterhalten werden", erläutert Berger. Die Funktion des Hippo-Signalwegs, der bei den einfachsten Organismen ebenso anzutreffen ist wie beim Menschen, war für Gewebe wie beispielsweise die Leber bereits bekannt, jedoch nicht für neurale Stammzellen im Zentralnervensystem.
Die Untersuchungen erfolgten an Drosophila-Larven. Sie verfügen direkt nach dem Schlüpfen über ein Nervensystem, in dem sich die Stammzellen zu diesem Zeitpunkt natürlicherweise in der Ruhephase befinden. Nimmt die Larve in ihrer weiteren Entwicklung Nahrung zu sich, werden die Stammzellen aktiviert und beginnen zu wachsen. Die Mainzer Genetiker um Dr. Christian Berger konnten nun beobachten, dass das Wachstum früher einsetzt, wenn sie den Hippo-Signalweg zu früh ausschalten, die Ruhephase also nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
In einem weiteren Schritt machte das Team um Berger zwei Oberflächenproteine aus, die auf den neuralen Stammzellen und den sie umgebenden Nischenzellen sitzen und zwischen den Zellen interagieren. Wenn die Wissenschaftler nun diese Oberflächenproteine von den glialen Nischenzellen entfernen, beginnen die Stammzellen zu wachsen und bilden verfrüht neue Nachkommenzellen. In der normalen Entwicklung wird genau dies durch die Nahrungsaufnahme reguliert: Beginnen die Larven zu fressen, sind die beiden Oberflächenproteine Crumbs und Echinoid etwa zehn Stunden später auf den Nischenzellen abgeschaltet und das Wachstum der Stammzellen beginnt.
Der letzte Schalter in dieser langen Reihe von Signalabfolgen ist das Effektorprotein Yorkie, der entscheidende Faktor am Ende des Hippo-Signalwegs, der über Beginn von Reaktivierung, Wachstum und Teilung der Stammzellen entscheidet. "Unsere Untersuchungen an Drosophila zeigen in einzelnen Punkten frappierende Ähnlichkeit mit Erkenntnissen über die Regulation von Ruhephasen bei Säugetieren, sodass darüber spekuliert werden kann, ob der Hippo-Signalweg in neuralen Stammzellen von Wirbeltieren wie Wirbellosen gleichermaßen funktioniert", erklärt der Erstautor der Studie, Rouven Ding. Um die Relevanz der jetzigen Arbeit auch bei Mäusen zu untersuchen, wird Bergers Arbeitsgruppe ein gemeinsames Projekt mit Prof. Dr. Benedikt Berninger vom Forschungszentrum Translationale Neurowissenschaften (FTN) der Universitätsmedizin Mainz starten. Die Ergebnisse könnten nicht zuletzt für die Hirntumorforschung von Bedeutung sein, zumal Komponenten des Hippo-Signalwegs wie Neurofibromin 2 eine bekannte Rolle in der Entstehung von Hirntumoren spielen.